«Knappheit» lautet der Titel von diesem Heft, das für einmal die Architektur in anderer Art und Aufmachung zeigt. Es geht uns darum, Knappheit nicht nur aus der Opferperspektive zu sehen, sondern als – besonders schwieriges – Handlungsfeld, in dem sich jedoch unerwartete Opportunitäten finden oder schaffen lassen. Im Kontext von Krise, Arbeits- und Perspektivlosigkeit nutzen in den Ländern des europäischen Südens junge Architekten Spielräume, indem sie sich zusammenschliessen und ihre professionelle Kompetenz ohne den Umweg über offizielle Projekte denen zur Verfügung stellen, die zwar kein Geld, aber Ideen haben, damit aus fast Nichts etwas Neues entsteht. In Grossbritannien, dessen öffentlichens Beschaffungswesen in der Austeritätspolitik praktisch zum Erliegen gekommen ist, ergreifen Architekturbüros die Initiative und lancieren zusammen mit Künstlern und Theaterschaffenden eigene Projekte. Trotz der Knappheit der Mittel ist bei allen vorgestellten Projekten eine urtümliche Energie zu spüren.
In Spanien ist die Krise nach dem Crash von 2008 noch längst nicht durchgestanden. In ihrem achten Jahr leistet das Architekturkollektiv Recetas Urbanas um Santiago Cirugeda in Sevilla wichtige Hilfs- und Aufbauarbeit: Dort wo der Staat versagt hat, schaffen urbane Guerilla-Aktionen selbstverwaltete, soziale Infrastrukturen und kulturellen Rückhalt. Dabei ist Architektur ein entscheidender Katalysator.
Wer in Portugal Architektur betreiben will, muss zwischen Emigration und dem Backen kleiner Brote wählen. Letzteres bietet die Chance, dem eigenen Beruf seine soziale Bedeutung zurückzugeben. Wir stellen drei Büros vor, die dieses Wagnis eingegangen sind und sich in verschiedenen Netzwerken organisieren. Bei der Legalisierung von Selbstbausiedlungen, der Renovation von Altstadthäusern oder der öffentlich gemachten Praxis profitieren zu gleichen Teilen Architekten, Architektur und Gemeinschaft.
Hausbesetzungen sorgen gelegentlich für Schlagzeilen, doch abseits der Medienaufmerksamkeit wird dort ein ebenso kreativer wie pragmatischer Alltag gelebt. Hausbesetzer ziehen von einer abgewirtschafteten Liegenschaft zur nächsten und richten sich stets wieder aufs Neue ein. Dabei stehen soziales Engagement, politische Agitation sowie ein Leben im Hier und Jetzt zuvorderst – im Gegensatz zu Lohnarbeit, Konsum und Sicherheit. In der fortwährenden Suche nach internem Konsens nimmt das Spontane seine Form an.
«Comment vivre ensemble?» Diese Frage stellte sich vor vierzig Jahren der französische Philosoph Roland Barthes; seine Schlüsse scheinen aktueller denn je. In einer Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung, die das Prinzip des Optimums über alles stellt, ist Knappheit die alles bestimmende Grösse. Der Mangel stellt das Verhältnis von Individuum und Kollektiv mit Dringlichkeit zur Disposition.
Direkte, unverblümte Aktionen im Stadtraum, handwerkliches Können und neue Kooperationsmodelle: Eine jüngere Generation britischer Architekten testet inmitten einer tiefen ökonomischen Krise ein weites Spektrum von Architektur. In den Arbeiten von Assemble, Studio Weave und Architecture00 verbinden sich kulturelle Avantgarde, Selbstbau und Display-Architektur.
Mitten im Herzen Wiens haben Gaupenraub Architekten eine unkonventionelle Wohnform entworfen, zusammen mit Studierenden und Obdachlosen. Zu grossen Teilen im Eigenbau renoviert und aufgestockt wurde ein Wohnhaus, das nun soziale Gegensätze zusammenbringt und den von der Gesellschaft Ausgegrenzten einen Platz in ihrer Mitte schafft: Mit Wohnungen, Werkstätten, einer Gaststätte und einem frei zugänglichen Veranstaltungsraum unter dem Dach.
Francesco Della Casa über den selektiven Studienauftrag RTS Campus in Lausanne
Schweizerische Baurechtstagung in Fribourg 2015
Zweitwohnungsinitiative oder strukturelle Veränderungsprozesse?
Roland Züger über das neue Buch der Wüstenrot Stiftung «Herausforderung Erdgeschoss»
Alexander Brodsky im Berliner Museum für Architekturzeichnung
Frei Otto, 1925 – 2015
Das Doppelwohnhaus von Peter C. Jakob in Mühlethurnen besticht durch den systematischen& Aufbau seiner Holzstruktur und durch die aus heutiger Sicht bescheidenen Mittel. Es liegt wohl gerade an dieser komplexen Einfachheit, dass das Haus in Würde reifen konnte und noch heute so aktuell ist wie vor dreissig Jahren.
Arbeiten in London und Zürich, Bauen in ganz Europa – und Lehren in Mendrisio: Der Mitgründer von Sergison Bates architects entwirft eine Perspektive europäischer Architektur, in der Eigenes und Globales eine fruchtbare Verbindung finden.
Auf den Schlachtfeldern des Ersten Weltkriegs zwischen Arras und Lens schuf der französische Architekt Philippe Prost ein gemeinsames Mahnmal für alle Opfer des Kriegs: In die Wände einer schwebenden Ellipse sind alphabetisch die Namen von 580 000 gefallenen Soldaten eingraviert.