The building is the message

Die Bauherrensicht zum Newsroom bei SRF

Urs Leuthard, Georg Aerni (Bilder)

Die alte News-Welt war eine einfache: Es gab Tageszeitungen sowie Radio- und Fernsehsendungen, die zu festgelegten Zeiten das Wichtigste vom (Vor-)Tag präsentierten. Damit liess sich trefflich Geld verdienen und Reichweite erzielen. Entsprechend war auch die Organisationsstruktur bei den Medien eine einfache: Klar definierte Redaktionen arbeiteten in klar definierten Redaktionsräumen oder -gebäuden für eine Zeitung oder einen Sender.

Dann kam das Internet und stellte die Medienwelt auf den Kopf. Der heutige Medienkonsument ist mobil unterwegs und will zu jeder Zeit, an jedem Ort und mit dem Gerät, das ihm am besten passt, über die Welt informiert werden.

Die Medienunternehmen müssen seither neben dem traditionellen Print-, TV oder Radiokanal auch digitale Kanäle anbieten, im Web, auf der App, in den Social Media. Gleichzeitig gehen Reichweite und Einnahmen bei den traditionellen Kanälen zurück. Mit weniger Ressourcen mehr und vor allem digitale Angebote produzieren: das verlangt nach neuen Lösungen. Die meisten Medienunternehmen verändern sich in Richtung einer integrierten, flexiblen Multiplattform-Organisation – und bauen dafür einen Newsroom.

Bei TV SRF sah die Realität bis vor kurzem so aus: Die Sendungen Tagesschau, Schweiz Aktuell und 10vor10 hatten je eigene Redaktionen in eigenen Redaktionsräumen. Wer in der Tagesschau-Redaktion arbeitete, produzierte nur für die Tagesschau – dafür in allen Fachbereichen. Daneben gab es eine Online-Redaktion, die die Inhalte für die digitalen Kanäle aufbereitete und dafür auf das Material und die Expertise der Sendungs-Redaktionen (TV und Radio) angewiesen war. Das funktionierte mehr schlecht als recht, weil Organisation und Prozesse nach wie vor stark auf die Sendungen zugeschnitten waren. Zudem verlangte die digitale Welt zunehmend nach mehr Fachexpertise, nach Einschätzungen, Analyse, Hintergrund. Die Generalisten in den Sendungsredaktionen waren immer weniger gefragt.

Transparentes Raumkonzept erforderlich

Die Ziele für die Newsroom-Organisation von SRF hiessen deshalb: Digital first, mehr Fachkompetenz, mehr Flexibilität in Organisation und Prozessen. Einen ersten grossen Schritt machten wir im November 2018, als wir die grossen Sendungsredaktionen mehrheitlich aufgelöst und in Fachredaktionen überführt haben; Inland, Ausland, Wirtschaft, Bundeshaus und eine neue Videoredaktion, die für das schnelle Bewegtbild im digitalen Raum und im TV zuständig ist. Die Kolleginnen und Kollegen in den Fachredaktionen beliefern sowohl die Sendungen wie die digitalen Kanäle mit Inhalten.

Die neue Organisation, die im Kern eine Matrix mit Fachredaktionen, Digitalteams und Sendeverantwortlichen ist, erfordert eine maximale Transparenz und Durchlässigkeit des Raumkonzepts; in der neuen digitalen Medienwelt ist kollaboratives Arbeiten in immer wieder unterschiedlichen Zusammensetzungen zwingend.

Gleichzeitig verlangt die rasante Entwicklung der Medien eine maximale Flexibilität, denn was heute noch stimmt, kann morgen schon nicht mehr passen. Diese Grundanforderungen der neuen publizistischen Welt spiegeln sich im Raumkonzept im neuen News- und Sportcenter von Penzel Valier Architekten, das wir im November 2019 beziehen.

Die Arbeitslandschaft wirkt grosszügig und ist auf den einzelnen Geschossen als Ganzes wahrnehmbar. Im Openspace können Arbeitsgruppen in verschiedenen Grössen und mit unterschiedlicher Dichte aufgebaut werden. Die besondere Form der Haupttreppen dient der offenen, kommunikativen Erschliessung und ermöglicht eine vertikale Vernetzung mit kurzen Wegen.

Das zentrale Atrium sorgt für die Verbindung der einzelnen Etagen zu einem gemeinsamen, fachübergreifenden Newsspace. Um einen regen Austausch zu fördern und Synergien zu nutzen, sind die Entscheidungs-Desks von News und Sport im zentralen Bereich mit direktem Bezug zum Atrium platziert. Die Lounge-Bereiche im 3. und 4. Obergeschoss rund um das Atrium, ähnlich den Rängen und Logen in einem Theater, sollen den informellen Wissensaustausch genauso wie konzentriertes Arbeiten ermöglichen. Die Tee- und Kaffeeküche in unmittelbarer Nähe wird die Funktion des Atriums als Mittelpunkt des Newsspace unterstützen. Die wenigen geschlossenen Räume im Gebäude (Schnitt-Räume, Rückzugs- und Sitzungsräume, Produktionsräume) können von verschiedenen Funktionen belegt werden und ermöglichen auch hier eine hohe Flexibilität und Weiterentwicklung.

Direktkontakt zu den Nutzern finden

Die publizistische Transparenz, die SRF nicht nur in der Newsroom-Organisation, sondern auch im Dialog mit den Zuschauerinnen, Nutzern und Gebührenzahlern leben will, findet eine weitere Entsprechung in der Materialisierung (unverkleidete Konstruktion des Gebäudes aus Beton und Betonfertigteilen) und vor allem in der Studiolandschaft im Erdgeschoss. Während klassische Fernsehstudios abgeschlossen sind und die «Welt draussen behalten», ermöglicht die neue Studiolandschaft durch die Glasverkleidung, «die Welt ins Studio zu holen». Mitarbeitende und Besucher des öffentlich zugänglichen Restaurants können die Produktion der News- und Sportsendungen live mitverfolgen. Umgekehrt kann der Aussenraum, je nach Sendekonzept und Bild-Umsetzung, auch zu einem Teil der Sendung werden; maximale Transparenz auf beiden Seiten. So kann man etwas gewagt behaupten: The building is the message. Und diese heisst: Transparenz, Flexibilität und Kollaboration sind in der digitalen Medienwelt unabdingbar.

Urs Leuthard (1963) ist Journalist und Fernsehmoderator. Als Projektleiter Publizistik des Projekts Newsroom19 hat er den Bau als Vertreter des Bauherrn beim SRF begleitet. Man kennt ihn als Moderator von Abstimmungs- und Wahlsendungen des SRF.

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