11–2025

Die Neunziger

Wurzeln heutiger Diskurse

Der Sound der Neunziger ist einzigartig. Techno figuriert seit letztem Jahr als immaterielles Kulturerbe sogar auf den Listen der UNESCO – und ist heute in Museen präsent. Genauso faszinierten auch die Orte, an denen die tagelangen Raves stattfanden. Vielfach waren das Industrieareale, die durch die Deindustrialisierung aus der Funktion gefallen sind: Leerstellen in der Stadt. Viele von ihnen gibt es heute nicht mehr. Zeit für einen Rückblick, etwa nach Zürich-West. Experimentelle Zwischennutzungen haben diese Orte einst mit Leben gefüllt. In Lofts wurden neue Wohn- und Lebensmodelle geprobt, die uns bis heute inspirieren. Auch Leerstellen ausserhalb der Kernstädte hat man in den Neunzigern entdeckt. In Heinrich Helfensteins Fotografien der Stadtlandschaft gründet der Diskurs über die Schweizer Agglomerationen. Mit kleinen Projekten, aber in der neuen Architektursprache des Minimalismus hat sich eine junge Generation in der Romandie in den Neunzigern einen Namen gemacht. Andere zog es mit dem frischen Diplom in der Tasche ins europäische Ausland, in aufregende Städte wie Berlin oder Barcelona.

Vom ständigen Beobachter zum Swiss Wonder

Die Schweiz in den 1990er Jahren

Philip Ursprung

Zum Einstieg lassen wir Revue passieren, wie die Schweiz der 1990er Jahre aus ihrer Lethargie erwacht und dank einer neuen Generation von Kulturschaffenden in Kunst und Architektur für Furore sorgt. Mit seinem Kurzessay setzt Philip Ursprung den Rahmen für ein Heft, das sich ganz und gar diesem letzten Jahrzehnt des vergangenen Jahrtausends widmet.

Facettenreiche Romandie

Tendenzen in der Westschweizer Architektur der 1990er Jahre

Bruno Marchand

Ende der 1990er Jahre verkündet eine Wanderausstellung La Romandie existe und versucht damit, der mangelnden Anerkennung für die Architektur der Westschweiz etwas entgegenzusetzen. In seinem Text wirft Bruno Marchand einen Blick auf Tendenzen und Personen jener Zeit und erkennt in der Lust an der Abstraktion und einer Sensibilität für Materialität den Einfluss von Martin Steinmann auf die junge Architekturszene. Originaltext

Industriequartier im epochalen Wandel

Pionierräume der Transformation in Zürich-West

Lucia Gratz, Margherita Spiluttini, Georg Aerni (Bilder)

In Zürichs Westen liegen anfangs der 1990er Jahre grosse Areale brach. Der Umbau zur Dienstleistungsgesellschaft wird das Industriequartier tiefgreifend verändern. Neben Spekulation und ersten Transformationen erobern Subkultur und eine aufstrebende Kunstszene die leeren Hallen, um sie als Offspaces zu betreiben. Lucia Gratz berichtet über vier Pionierprojekte.

Die Entdeckung der Peripherie

Zum Werk und Wirken von Heinrich Helfenstein

Urs Primas, Heinrich Helfenstein (Bilder)

Sachlich dokumentieren Heinrich Helfensteins Fotos vom Schweizer Mittelland die planerische Hinwendung zur Peripherie. Entlang des Wirkens des Schweizer Fotografen, Kunstwissenschaftlers, Hochschullehrers und Rossi-Übersetzers erzählt Urs Primas, wie Fotografie als systematische Befragung der Wirklichkeit die Wahrnehmung und Entwicklung instabiler Stadträume prägte und veränderte.

Liebesbriefe an die Neunziger

Eine Generation auf Jobsuche

Vor dem Boom kam die Flucht. Bevor die Schweizer Bautätigkeit in den späten 1990er Jahre neue Höhen erklomm, suchten viele Architektinnen und Architekten Arbeit im Ausland. Sie fanden sich in den aufstrebenden Büros der prickelnden Metropolen wieder. Acht von ihnen erinnerten sich und haben für diese Ausgabe Liebesbriefe an diese Epoche verfasst.

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Debatte

Die diesjährige Architekturbiennale spielt das Loblied auf die Technik im Allgemeinen, die künstliche Intelligenz im Besondern. Wer zur Finissage reist, bevor die Türen Ende November schliessen, dem seien die klugen Fragen des Ökologen Christoph Küffer als Reiselektüre nach Venedig empfohlen. Seine Technikkritik weist über die Ausstellung hinaus.

Wettbewerb

Ein offener Wettbewerb für ein Hochhaus in Zürich, zudem eine hybride Nutzung aus Alterswohnungen und Pflege: Grund genug, genau hinzusehen. Nicht zuletzt, weil sich das siegreiche Team sinnvoll gegen den Gestaltungsplan stellt und auch einen cleveren Umgang mit dem Lärm anbietet.

Ausstellungen

Das Architekturzentrum Wien zeigt das Werk der indischen Architektin Anupama Kundoo. Unser Korrespondent Maik Novotny hat sie interviewt und berichtet von einer monografischen Schau, die das Thema über die Person zu stellen weiss. Dazu noch Tipps zu Ausstellungen über das Büro Ouest in Brüssel und über die Denkmalpflege in Zürich.

Bücher

Wie bleiben Spuren erhalten, wo keine bleiben sollten? Das Buch A future for whose past? beschäftigt sich mit dem Erbe von Minderheiten, Randgruppen und Menschen ohne Lobby. Es sucht nach neuen Instrumenten der Erinnerungskultur. Sarah Di Guisto-Rageth hat es gelesen. Ausserdem: Philip Ursprungs Blick auf die Architektur der Gegenwart und eine kriminalistische Untersuchung zu Rem Koolhaas’ Villa dall’Ava.

Dossier Wallonie

Wie kann ein Platz viele sein?

Place Marie Janson in Brüssel von Studio Paola Viganò und VVV Architecture

Kaye Geipel, Michiel De Cleene (Bilder)

Ökologisch, sozial und partizipativ, so gelang die Neugestaltung der Place Marie Janson in Brüssel. Autor Kaye Geipel wohnt seit kurzem nebenan. Er fand einen Platz, den das Team aus dem Studio Paola Viganò zusammen mit VVV Architecture ohne grosse Gesten entsiegelte. Sie haben die Fläche in einen städtischen Grünraum verwandelt, der vieles zugleich anbietet.

Theater mit Tiefgang

Umbau des Theaters Jean Vilar in Louvain-la-Neuve von Ouest

Lisa De Visscher, Corentin Haubruge (Bilder)

Als Mensa geplant, wurde ein Bau in Louvain-la-Neuve noch während der Ausführung zum Theater umfunktioniert. Vierzig Jahre danach haben es Ouest architecture an heutige Anforderungen angepasst. Dafür drangen sie tief in das verborgene Betonraster vor, auf dem die gesamte Ville nouvelle aus den 1960er Jahren thront. Originaltext

Weiterbauen in Lüttich

Zu Besuch im Büro dA architectes

Roland Züger

Maud André und Pierre de Wit trennen 21 Jahre. Zusammen führen sie das Büro dA architectes in Lüttich. Nach dem Genuss frischgebackener Lièger Gaufres zeigten sie Chefredaktor Roland Züger die Stadt, besichtigten Baustellen und jüngst errichtete Bauten – darunter auch die Transformation eines alten Bankgebäudes in eine Ballettschule.

werk-material 01.02/860

Identität dank Ornament

Kindergarten in Lamone von Krausbeck Santagostino Margarido

Felix Wettstein, Francesca Iovene (Bilder)

werk-material 01.02/861

Wahrnehmungsapparat

Schulerweiterung mit Kinderkrippe und Hort in Chermignon von FRAR

Carole Bourdin, Thomas Jantscher (Bilder)

Originaltext

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