Zum hundertsten Geburtstag unserer Zeitschrift fragen wir nach dem Stand der Dinge in der Schweizer Architektur. Dabei leiten uns drei Themen, die uns für die Baukultur dieses Landes konstitutiv scheinen: Die urbane und ländliche Kulturlandschaft als allgegenwärtige Voraussetzung des architektonischen Schaffens, Konstruktion als Form des Ausdrucks und schliesslich gesellschaftlicher Konsens als städtebauliche Praxis und als Voraussetzung öffentlicher Repräsentation. Seit fünfzehn Jahren herrscht in der Schweizer Bauwirtschaft Hochkonjunktur, scheinbar unbeeinflusst von der Krise in Europa. Stille Landschaften sind selten geworden, Mobilität ist überall. In den ersten Jahren des 21. Jahrhunderts hat sich die Schweiz sichtbarer verändert als in Jahrzehnten davor. In diesem Aufschwung spielen Architekten eine zentrale Rolle: Architektur ist zu einem öffentlichen Thema geworden. Nicht nur die öffentliche Hand, auch private Entwickler und Investoren setzen heute auf den Reputationswert guter Architektur, gerade auch mit Wettbewerben. Im Gegensatz zu vielen anderen Ländern haben daher in der Schweiz auch junge Büros oder unkonventionelle Entwürfe eine Chance, sich durchzusetzen. Eingeschränkt wird diese Freiheit durch den Druck von Kosten und Rendite und durch einen laufend perfektionierten Wust von Vorschriften und Normen.
Jürg Conzetts sieben Stege des Wanderwegs «Trutg dil Flem» oberhalb von Flims sind nach dramaturgischen Überlegungen positioniert. Jeder einzelne reagiert auf den jeweiligen Ort und trägt so zur Inszenierung der alpinen Landschaft bei.
Die sichtbaren Abschnitte der Durchmesserlinie in Zürich greifen tief in den Stadtkörper ein, wie auch die Erweiterung des Hauptbahnhofs diesen neu mit der Stadt verknüpft. Unser Autor nutzt den Anlass für grundsätzliche Anmerkungen zum Verhältnis der Architektur zur gestalteten Umwelt.
Inmitten der Stadt Genf überrascht die Plaine de Plainpalais als öffentlicher Platz von gut sieben Hektaren Fläche durch ihre Weite und ihren zugleich landschaftlichen und urbanen Charakter. Die Neugestaltung durch ADR verleiht dem Platz eine starke Gegenwart in der Stadt.
Von Kopf bis Fuss auf Mitbestimmung eingestellt – und schnell von der Idee zum fertigen Bau: Die Genossenschaft Kalkbreite erstellte zusammen mit Müller Sigrist Architekten eine Überbauung zum Wohnen und Arbeiten im Umfang eines ganzen Strassenblocks.
Proteste und öffentliche Debatten standen am Anfang des fündzwanzigjährigen Prozesses, der auf dem einstigen Werkareal des Weltkonzerns Sulzer in Winterthur ein vielschichtiges Quartier mit Geschichte entstehen liess.
Der schöpferische Akt des Entwerfens ist immer mehr dem Prozesshaften ausgesetzt. Die «Arbeit am Konsens» bedient zwar Ängste und Sehnsüchte, darob wird aber die Kraft der konkreten Form geschwächt.
Die Kanzlei der Schweizer Botschaft in Algier als Zusammenspiel zweier Kulturen: Bakker & Blanc Architekten verbanden Schweizer Werte mit Interesse und Respekt für das Lokale.
Im Bundesstrafgericht in Bellinzona von Bearth & Deplazes und Durisch + Nolli Architekten wird die Zusammenarbeit von Bund und Kanton sichtbar.
Meili, Peter entwarfen zusammen mit Office Haratori und Office Winhov ein Wohnhochhaus in Zürich, das seine Präsenz im Stadtraum über die hoch differenzierte Plastizität seiner Fassaden entwickelt.
Bei Peter Märklis Synthes-Hauptsitz in Solothurn durchdringt das Masssystem den ganzen Entwurf. Jürg Graser zeigt auf, dass Fritz Haller einen ähnlich rigorosen Umgang mit der Geometrie pflegte.
Ökonomie und Ökologie setzen den Entwurf der Konstruktion und des Tragens unter Druck. Heutige Resultate sind weit entfernt von einer klaren Lesbarkeit. An drei aktuellen Beispielen wird die Herausforderung in der Kohärenz von Konstruktion und Ausdruck deutlich.
Die Direktorin des Bundesamtes für Raumentwicklung ARE, eine Landschaftsarchitektin und ein Architekt plädieren in der Diskussion für neuen Realismus beim Blick auf die Landschaft. Maria Lezzi, Stefan Kurath und Martina Voser im Gespräch mit Daniel Kurz und Tibor Joanelly.
Für ihre Bildserie stieg die Fotografin Ester Vonplon in die Ruinaulta und spürte den Eingriffen des Menschen in dieser so urtümlichen Landschaft nach: Der schwankende Wasserstand gehorcht den Gesetzen des Strommarktes.
Im Gespräch über Wettbewerbe sind sich Architekten als Entwerfer, Veranstalter und Juroren einig: Verfahren und Resultate hängen voneinander ab. Emanuel Christ, Michael Hauser und Thomas Urfer im Gespräch mit Tibor Joanelly und Caspar Schärer.
Mit preiswertem Material aus dem Baumarkt konstruiert die Fotokünstlerin Anja Schori Figuren, die von architektonischen Bildern und Räumen erzählen.
1961 erörtert Lucius Burckhardt in einem inneren Dialog die Vorzüge des städtischen und halbländlichen Wohnens. Jacques Herzog geht 2014 den Mentalitätsunterschieden zwischen Stadt und Agglomeration auf den Grund.
In seinen bisher 100 Jahren hat das «Werk» die Baupraxis in der Schweiz und vor allem den Diskurs darüber geprägt: Vorbilder wurden erkoren und Unerwünschtes kritisiert oder verschwiegen. In ihrer umfassenden Analyse findet Bernadette Fülscher wechselnde Debattenkulturen: Zeiten der Grundsatzdebatten lösten immer wieder Phasen der Zuversicht ab.