Dichte ist mehr ein gefühlter als ein gemessener Wert. Die öffentlichen Klagen und Debatten über Verdichtung korrelieren denn auch nicht mit absoluten Zahlen, sondern vielmehr mit der wahrgenommenen Veränderung in der eigenen Umgebung; und es sind weniger die Bewohner der Kernstädte als jene der Agglomerationen mit halbländlichem Selbstverständnis, die sich darüber Sorgen machen. Mit Grund: denn mit wachsender Dichte wird das Bemühen, die Privatsphäre vor Störungen zu schützen, wirkungslos, und das vertraute Dorfleben verschwindet; das typisch städtische Nebeneinanderleben auf engem Raum weckt Abwehr. Dieses Heft hat nicht den Anspruch, die im politischen Alltag geführte «Dichtedebatte» – die ja auf weite Strecken nur Scheinphänomene aufgreift – abzubilden. Vielmehr wollen wir zeigen, wie bauliche Dichte mit sehr hoher Wohn- und Siedlungsqualität einher gehen kann – und was in einem konventionellen Entwicklungsgebiet fehlt, damit Dichte zum Vorzug werden könnte.
Das Neubauquartier Hunziker-Areal der Genossenschaft mehr als wohnen im Norden von Zürich zeigt Qualitäten, die Städtebauprojekten dieser Grössenördnung gewöhnlich fehlen: Die Nähe der grossen Gebäude zueinander, das Wechselspiel von Gassen und Plätzen und die höchst unterschiedlichen Architektursprachen der fünf beteiligten Büros sorgen für maximale Diversität. Der Genfer Kantonsarchitekt Francesco Della Casa blickt mit der kritischen Distanz des Romands und aus der Sicht des Planers auf das Wohnexperiment.
Das Schlitzhaus: Hinter den hanseatischen Jugendstilfassaden im Norden Hamburgs verbirgt sich eine besondere Gebäudetypologie mit sehr hoher Dichte. Tief in die Hoffassaden eingeschnittene Schlitze ermöglichen im geschlossenen Blockrand eine ungewöhnliche Gebäudetiefe und grosszügige Wohngrundrisse. Heute bietet diese Bauweise eine interessante Referenz.
Die Diskussion um Grünräume ist am notwendigsten im unmittelbaren Wohnumfeld – weil diese den Grossteil der urbanen Freiräume ausmachen und immer mehr Menschen in einer alternden Gesellschaft auf sie angewiesen sind.
Angesichts der kuratierten Urbanität von Arealentwicklungen verschwindet das Städtische, verstanden als Möglichkeit des Zufalls. Es versteckt sich in konstruierten Inseln der Hyperrealität, einer Wirklichkeit ohne soziale oder im Ort gegründete Herkunft.
Quantitative Dichte ist eine schwungvolle Triebfeder der Stadtentwicklung – aber in erster Linie ein ökonomischer Hebel. Der Markt produziert Dichte, strebt aber zugleich nach minimalem Risiko: So werden Experimente oft im Keim erstickt.
Die vier dreieckigen Häuser mit abgerundeten Ecken und schwarzbraun gestrichenen Holzfassaden nutzen das Areal am Schaffhauserrheinweg in Basel mit einer AZ von 1.87 aus. Jessenvollenweider Architekten begegnen der hohen Dichte mit umlaufenden Veranden, die das Private der Wohnungen beschirmen und gegenüber den nahen Nachbarn einen Puffer schaffen – eine architektonische Knautschzone.
Auf einem Spaziergang durch drei Neubausiedlungen am nördlichen Stadtrand von Zug untersucht unser Redaktor zusammen mit dem Architekten und Autor Eberhard Tröger die subjektive Wirkung unterschiedlicher Bebauungsdichten. Sie betrachten dabei weniger die Architektur als die Beschaffenheit der Aussenräume.
Der Architekt und die «saine horreur de la monotonie». Ein Beitrag von Andri Gerber
Die Schweizer Kapuzinerprovinz möchte das Areal ihres Klosters Wesemlin in Luzern für Wohnungsbau öffnen. Marques Architekten gewannen den Studienauftrag mit einem freistehenden Neubau, der sich aus der Klosteranlage löst, Optionen für ein typologisches Weiterbauen des Bestands wurden von der Jury verworfen.
Reservationszahlungen beim Hauskauf
Verdichtung in den Städten. Wie viel geht noch?
Jean-Marc Lamunière, 1925–2015
Originaltext Französisch
Ein echter Beitrag zur Dichte-Debatte: Dietmar Eberle und Eberhard Tröger legen ein über 500 Seiten mächtiges Werk zur atmosphärischen Qualität von Dichte vor – Joris Van Wezemael bespricht es in einer präzisen Rezension.
Anhand der kaum bekannten Kirche Temple de Fontenay in Yverdon des 1932 geborenen Pariser Architekten Henri Beauclair überprüfen drei Studenten die Wahrnehmung von Architektur auch durch Nicht-Eingeweihte. Der Text ist in der Originalsprache Französisch publiziert.