11 – 2015

Dorfgeschichten

Was läuft eigentlich noch im Dorf? Die überschaubare Siedlung auf dem Land war immerhin einst die dominierende bauliche und lebensweltliche Struktur der Schweiz – und stets ein Gegenmodell zur Stadt. Das «klassische» Dorf als drittes Element verliert an Bedeutung. Der Prozess der Landflucht ist ein Teufelskreis: die Nahversorgung schliesst, das Leben verliert an Attraktivität. Veränderung oder Stillstand: Nirgends sonst stellt sich die Frage nach der Transformation so drängend wie in den Dörfern. Aber wie lässt sich der Charakter bewahren, trotz Zwang zum Wandel? Die Sozialstruktur des Gemeinwesens, die spezifischen städtebaulichen Muster, aber auch das einprägsame landschaftliche Umfeld stehen in Frage. Wie grundlegend anders die Ausgangslage auf dem Dorf ist, zeigt sich in der Doktrin der inneren Verdichtung. Der Zonenplan mit seinen gleichmässig durchgefärbten Flächen entpuppt sich in dieser Situation als nivellierendes Instrument, das Drama spielt sich innerhalb der Bauzone ab: Die offene Bebauungsstruktur und besonders die Flächen der Obsthaine und Wiesen tragen genauso zum Charakter eines Dorfes bei wie die jeweils typische Konfiguration von Häusern, Strassen und Plätzen.

Das Bildessay von Johanna Muther zeigt Ennenda im Glarnerland.

Die Schweizer Kulturstiftung Pro Helvetia hat die Realisierung dieser Fotoserie im Rahmen ihrer Nachwuchsförderung unterstützt.

Das Glück in der Falte

Ennenda als Gegenprogramm zur Metropole

Mit Lando Rossmaier mailte Caspar Schärer, Johanna Muther (Bildessay)

Was bewegt einen jungen Architekten dazu, mitsamt Familie und Büro von der Stadt aufs Dorf zu ziehen? Lando Rossmaier stellt sich den kritischen Fragen von Caspar Schärer im Briefwechsel. Sein neuer Wohnort Ennenda im Glarnerland erscheint dabei als ideale Wahl: Es gibt dort Spielräume, der Architekt ist nahe an den Leuten. Und die Kosten sind weniger hoch als in der Stadt.

Kinder bauen an der Zukunft des Dorfplatzes Mels. Die HTW Chur entwickelte dafür eigens einen Bastelbogen.

Yin und Yang auf dem Lande

Gebautes und Landschaft gehören zusammen

Christian Wagner und Patrick Schoeck-Ritschard im Gespräch mit Daniel Kurz und Caspar Schärer

Der stellvertretende Geschäftsleiter des Schweizer Heimatschutzes und ein erfahrener Architekt und Ortsplaner vermissen die ganzheitliche Sicht auf das Dorf, diskutieren die ungebrochene Aktualität der ISOS-Inventare und erörtern die schwer zu bändigende «Zersiedelung nach innen».

Der hölzerne Brunnen dominiert den Dorfplatz von Valendas und verleiht dem Gasthaus seinen Namen.

Ein Dorf macht sich schön

Valendas erneuert seinen Dorfplatz

Marina Hämmerle, Ralph Feiner (Bilder)

Valendas bei Ilanz in Graubünden ist nicht mehr was es mal war – und doch ist es wieder ein Dorf im besten Sinn. Dank der beherzten Initiative einer Bürgergruppe konnte nach dem Niedergang in den 1970er Jahren das Leben zurückgewonnen werden: Häuser wurden renoviert und erweitert, ein Gasthof gegründet, das Leben kehrte zurück. Die beteiligten Architekten Capaul & Blumenthal und Gion Caminada zeigten dabei Verantwortung und Feingefühl.

Strassencafé Madlen’s mit Blick auf die katholische Kirche in Schmitten. Architekturatelier Schafer.

Tausend Quadratmeter

Der Grossverteiler bleibt im Dorf

Daniel Kurz

Der örtliche Grossverteiler ist Dreh- und Angelpunkt des dörflichen Gewerbes. Zieht er weg, verschwinden auch die kleineren Läden. Mit ganz unterschiedlichen Strategien konnten das ländliche Schmitten und die Agglomerationsgemeinde Geroldswil den Coop im Dorfzentrum halten. Voraussetzung sind 1 000 Quadratmeter Verkaufsfläche.

Einem Meteoriten gleich landete ein felsig schroffer Kubus mitten auf dem Dorfplatz von Blaibach. Einzig ein klaffender Spalt bietet einen Hinweis auf den Eingang ins Konzerthaus.

Bilbao im Bayerischen Wald

Dorfumbau in Blaibach (D) von Peter Haimerl

Florian Heilmeyer, Edward Beierle (Bilder)

Weitab von den städtischen Zentren sorgt ein erratischer Findling der Hochkultur für Umsatz. Das Konzerthaus im deutschen Blaibach von Peter Haimerl ist ein in die Erde eingelassener Monolith. Hinter der einprägsamen Gestalt stehen persönliches Engagement und vor allem eine Strategie für das gesamte Dorf, die dank zahlreicher Fördermittel zur Belebung beiträgt.

Anzeige

Debatte

Mehr vom Gleichen hilft nicht weiter – für die Entwicklung des öffentlichen Verkehrs braucht es raumplanerische Ziele. Statt der weiteren Stärkung der Zentren fordert der Raum- und Verkehrsplaner Marc Schneiter einen Ausbau tangentialer Verbindungen dort, wo das Auto immer noch vorherrscht. Lesen Sie diesen Artikel online

Wettbewerb

Als letzter Deutschschweizer Kanton plant Bern einen neuen Fachhochschulcampus mit Standort in Biel. Pool Architekten gewannen mit einem Vorschlag, der Raum für informelle Kontakte bietet.

Bücher

Am Hauswart liegt es, Gebäude und Menschen zusammenzubringen. Die technische Aufgabe hat auch eine soziale Dimension, das zeigt ein neues Buch von Ignaz Strebel. Und: Dem eigensinnigen Bau der Universität Miséricorde von 1941 widmet das Architekturforum Freiburg ein grossartiges Buch.

Ausstellungen

«Es ging mir nicht um Didaktik» – Rahel Hartmann-Schweizer spricht mit Fredi M. Murer über seinen Beitrag an der Ausstellung Filmbau im SAM Basel.

Einen wesentlichen Beitrag zur Raumbildung im Inneren des Atelierhauses Studer leistet die differenzierte Lichtführung: Zenitales Licht setzt den massiven Cheminéeblock in Szene.

Erstling: Eine Wellenlänge

Das Atelierhaus Studer in Gockhausen

Lucia Gratz

André M. Studer baute zusammen mit seiner Frau Theres Studer Ende der 1950er Jahre sein eigenes Atelierhaus im zürcherischen Gockhausen. Stark von Frank Lloyd Wright geprägt, inspiriert es heute die junge Generation.

Schwierige Bedingungen in Vézelay: Der gemeinsame Hof mit Blick auf die Basilika ist leider nur beschränkt öffentlich. Für einen geplanten Baum fehlte das Geld. Architektur: BQ+A – Quirot, Vichard, Lenoble, Patron, architectes associés.

Eingebettete Architektur

Reportage aus der France profonde: Drei Bauten von BQ + A

Tibor Joanelly

Eine Reise zu drei Bauten des Architekten Bernard Quirot in der französischen Provinz bringt Architektur von überraschender Präsenz und thematischer Stimmigkeit zutage. Ein eng geknüpftes Netzwerk, klares Rechnen und das Wissen um Machbarkeit schufen trotz widrigster Umstände ein kleines Architekturwunder.

La maison étroite à grandes fenêtres avec la façade en «béton artisanal» et les balustrades aux lignes très fines à la rue du Môle.
Architecte: atelier Bonnet architectes EPFL FAS.

werk-material 01.02 / 662

Ode an die kleine Parzelle

Caspar Schärer, Yves André (Bilder)

Maison multifamiliale aux Pâquis à Genève de l'atelier Bonnet architectes, Genève

Städtebau im Blockrand: Der in den Strassenraum ragende Knick in der Fassade verbindet die Baulinie mit dem zurückversetzten
Nachbarhaus. Architekt: Oliver Brandenburger Architekten AG.

werk-material 01.02 / 663

Ode an die kleine Parzelle

Caspar Schärer, Basile Bernand (Bilder)

Mehrfamilienhaus Arlesheimerstrasse in Basel von Oliver Brandenberger Architekten, Basel

Lesen Sie werk, bauen + wohnen im Abo und verpassen Sie keine Ausgabe oder bestellen Sie diese Einzelausgabe