6 – 2015

Die Villa

Die Villa war ein Vorposten der Stadt und der Herrschaft in ländlicher Umgebung. Ob in römischer Zeit oder, nach der Befriedung des Landes, wiederum in der Renaissance: Villenbewohner waren stets Städter, die hier eine adlige Lebensweise übten und die Villa ein Ort, der Herrschaft über ein Umland repräsentierte – und dieses in seiner Bewirtschaftung und Symbolik oftmals veränderte. Seit Palladio sind Villen Vorbilder der Architektur, sie verkörpern exemplarisch die Paradigmen eines bestimmten Stils, einer Epoche. Mit Thomas Jefferson, Hermann Muthesius, Frank Lloyd Wright, Le Corbusier, Jørn Utzon und Rem Koolhaas – die Liste lässt sich erweitern – war die Villa ein Versuchsobjekt, das Utopie und individuelle Lebensgestaltung gleichermassen zusammenbrachte. Beides, Allgemeines und Spezifisches, liegt aktuellen Villen-Entwürfen nach wie vor zu Grunde; die Globalisierung hat aber die Verhältnisse geklärt: Hier das Versprechen und der repräsentative wie bequeme Mainstream einer weltweit beschäftigten Klasse – dort das Futteral der Seele im global vernetzten Kunst- und Architekturmarkt.

Die königliche Villa in Wachwitz auf der Vedute von Johann Carl August Richter aus dem Jahr 1873 zeigt das einfache Landhaus eingebettet in die landschaftlich reizvolle Umgebung des Elbtals.

Die Welt als Wille und Villa

Dresdner Villen im 19. Jahrhundert

Reinhard Mayer

Im 19. Jahrhunderts wird die Villa zum Synonym für eine genuin bürgerliche Lebensweise. Das Beispiel Dresdens zeigt, wie die Villa von den Rebhängen am Elbufer auf die frei gewordenen Areale der Stadtbefestigung und weiter in die Innenstadt «wandert». Auf diesem Weg verändert sich die Architektur und die innere Organisation, während der konkrete Landschaftsbezug einem artifiziell-gärtnerischen Landschaftsbild weicht.

Japanische Anmutung: In der Ansicht von der Strasse erscheint das Haus nur eingeschossig; das flach geneigte Dach erhält dadurch noch mehr Gewicht und Präsenz. Villa in Würenlos von Andreas Fuhrimann und Gabrielle Hächler Architekten.

Arts-and-Crafts trifft Japan

Über das Verhältnis Bauherr – Architekt. Andreas Fuhrimann und Gabrielle Hächler im Gespräch

Caspar Schärer, Valentin Jeck (Bilder)

Der Bau einer Villa ist immer auch eine intensive Auseinandersetzung mit den Wünschen und Vorstellungen des Bauherrn: Das Haus wird zum Futteral der Seele. Was aber geschieht, wenn zwei starke Autoren-Handschriften aufeinandertreffen? Andreas Fuhrimann und Gabrielle Hächler berichten von ihren Erfahrungen mit einem international tätigen Künstler.

Haus für einen Kunstsammler in den Pyrenäen, Grundriss, Eric Lapierre Architecture, 2012.

Schauen und leben lassen

Über die Zugänglichkeit der Villa im Informationszeitalter

Tibor Joanelly

Die Villa stand immer schon im Widerspruch zwischen ostentativer Prachtentfaltung und Abschottung des Privaten. Neue Medien ermöglichen kontrollierte Einblicke in das Leben der Privilegierten.

Ein aufragender Turm als Refugium des Rückzugs kontrastiert zum flachen Küchen- und Wohntrakt. Villa in Zuidzande (NL) von Marie-José Van Hee.

Donjon in der Ebene

Villa in Zuidzande (NL) von Marie-José Van Hee

Axel Sowa, David Grandorge (Bilder)

Die von der flämischen Architektin Marie-José Van Hee entworfene Villa fasst ihr über dreissigjähriges Schaffen kongenial zusammen: In der flachen, dem Meer abgerungenen Landschaft der niederländischen Provinz Zeeland schuf Van Hee ein kontrastreiches Haus von hoher Alltagstauglichkeit und fast zeremonieller Würde.

Das ausgeprägte Relief der Fassade kulminiert im mächtigen Wasserspeier, dem ein frei stehendes Becken antwortet. Haus Sandmeier in Vessy von Lacroix Chessex.

Auf den Punkt gebracht

Haus Sandmeier in Vessy GE von Lacroix Chessex

Daniel Kurz, Joël Tettamanti (Bilder)

Das schmale Grundstück bot den Architekten Lacroix Chessex wenig Spielraum; und so galt es, Raum und Konzept des Hauses maximal zu konzentrieren. Die Konstruktion beruht auf der Stapelung zweier «Tische» mit auffallend massiv wirkenden Geschossplatten und schmalen Wandscheiben. Trotz ihrer geringen Grösse setzt die Villa als klar umrissene Betonskulptur ein kraftvolles Zeichen in der Landschaft des Plateaus de Vessy.

Bewegtes Spiel der Volumen und Niveaus: Eingangspartie mit gleichwertigen Rampen zur Tiefgarage und zum darüber liegenden Haupteingang: Villa in Cologny von Charles Pictet.

Wie im Film

Villa in Cologny GE von Charles Pictet

Anna Hohler, Thomas Jantscher (Bilder)

Wie der junge Architekt in Viollet-le-Ducs Histoire d’une maison erhielt Charles Pictet von den Bauherren dieser grossen Villa nur knappe Hinweise zum gewünschten Programm – und alle erdenkliche Freiheit in der Ausführung. Das Innere wie das Äussere des Hauses entziehen sich in ihrer unregelmässigen Gestalt einer einheitlichen Wahrnehmung und sind – wie in einer Kamerafahrt – nur in der Bewegung zu erfassen.

Originaltext Französisch

Die Casa Tonini in Torricella, eine Inkunabel der Postmoderne: Eine moderne Villa als Einfamilienhaus über palladianischem Grundriss im Luganeser Hinterland.

Idealismus und Realismus

Casa Tonini von Bruno Reichlin und Fabio Reinhart revisited

Henrike Schoper und Tom Schoper

Die Casa Tonini von Bruno Reichlin und Fabio Reinhart gilt als Inkunabel der Postmoderne. 1974 vollendet, trug sie wesentlich zur internationalen Bekanntheit der Tessiner Tendenza bei. Vierzig Jahre nach der Fertigstellung haben unsere Autoren das Haus im biederen Einfamilienhausquartier von Torricella besucht: Der Bau hat an Aktualität nichts eingebüsst; wie eine geöffnete Zeitkapsel überbringt er uns seine besonderen Qualitäten zwischen idealer Geometrie und gelebter Wirklichkeit.

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Nachrichten

Nur gerade vier von 37 Professuren am Departement Architektur der ETH Zürich sind zurzeit von Frauen besetzt. Bei der anstehenden Neubesetzung mehrerer Stellen muss dieses Missverhältnis geändert werden, fordert Susanne Schindler. Artikel lesen

Debatte

Standard Nachhaltiges Bauen in der Schweiz – Hanspeter Bürgi sieht im neuen Standard ein Instrument zur Sicherung der Baukultur. Debatte online lesen

Wettbewerb

Im Studienauftrag für das Stapferhaus in Lenzburg galt es Ausstellung, Produktion und Verwaltung im neuen «Haus der Gegenwart» zu vereinen.

Bücher

Nach der Abstimmung über die Masseneinwanderung ist der Erklärungsbedarf der Agglomeration exponentiell gestiegen. Joris Van Wezemael bespricht eine aktuelle Textsammmlung, herausgegeben von Georg Kreis.

Ausstellungen

Zwei Ausstellungen im New Yorker MoMA feiern die Architektur Lateinamerikas

Unter dem rostigen Rund sind Bereiche für Wartende mit der Möglichkeit zum Plakataushang kombiniert: Bushaltestelle von Barão Hutter in Pfäfers.

Erstling: «Auch ich in Arkadien!»

Die Bushaltestelle von Barão Hutter in Pfäfers

Andreas David Kaufmann, Barão Hutter (Bilder)

Nur eine kleine Bushaltestelle und ein Anschlagbrett für Veranstaltungen: Mit einem gebogenen, rostigen Stahlblech haben die Architekten Barão Hutter eine poetische Insel im baulichen Niemandsland des St. Galler Rheintals geschaffen. Eine Spurensuche und ein Reisebericht.

Wohn- und Geschäftshaus Neugasse, Zürich 2015, Isa Stürm Urs Wolf

Play it right

Neun Deutschschweizer Realismen

Tibor Joanelly, Walter Mair (Bilder)

Seit Maurizio Ferraris vor zwei Jahren sein Manifest des Neuen Realismus veröffentlicht hat, ist dieser auch bei Architekten in aller Munde. Doch was heisst «Neuer Realismus» in der Architektur genau? Und was an ihm ist wirklich neu – und was vor allem lässt er hinter sich? Ein Foto- und ein Textessay versuchen diese Fragen je zu beantworten.

Die Planschbecken für Kinder im westlichen Teil der Anlage sind in Beton ausgeführt: Freibad Oberwinterthur von Walser Zumbrunn Wäckerli Architektur.

werk-material 12.05 / 654

Blau und Grün

Claudia Moll, Claudia Luperto (Bilder)

Freibad Oberwinterthur ZH von Walser Zumbrunn Wäckerli Architektur, Winterthur

Das ovale Becken wird von Holzwänden und -bauten eingefasst, sodass sich alle Blicke auf die Mitte fokussieren: Naturbad in Riehen von Herzog & de Meuron.

werk-material 12.05 / 655

Blau und Grün

Claudia Moll, Iwan Baan (Bilder)

Naturbad Riehen BS von Herzog & de Meuron, Basel

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