3 – 2017

Preiswert Wohnen

Mehrwert der Knappheit

Glücklich schätzen sich diejenigen, die Bauherrschaften oder Investoren nach der x-ten Sparrunde ein Prozent Rendite abtrotzen. Ein Prozent, das schnell ausgegeben ist für einen etwas grobkörnigeren Putz, grössere Fenster oder bessere Balkongeländer. Wenn der so geschaffene Mehrwert nicht wiederum der Rendite zugeschlagen wird, dann wird es interessant: Er kann in soziales oder architektonisches Kapital umgemünzt werden (am besten gleich in beides). Gemeinschaftliches Kapital kommt allerdings nicht von alleine zustande, und mit Sparsamkeit alleine ist es nicht getan. Die in diesem Heft gezeigten Beispiele sind jedes für sich Resultat eines besonderen Engagements, das in einem oftmals langwierigen Prozess initiiert, konsolidiert und entfaltet werden musste. Aushandlungsprozesse benötigen soziale Ressourcen. Und diese «Investitionen» sind auch für das Gelingen von Architektur unverzichtbar. Den meisten Beispielen ist die Logik der Nische gemeinsam. Damit ein ideeller Mehrwert erzielt wird, müssen rentablere Alternativen fehlen oder das Grundstück anderweitig dem Zugriff des Markts entzogen sein. So kann es sein, dass Wohnen unerwartet erschwinglich wird.

Die Leichtigkeit des Weniger als Lebensentwurf und tägliche Praxis: Die Artistinnen und Artisten des Zirkus Chnopf üben in ihrem Zürcher Winterquartier.
Bild: Andrin Winteler

Ballast abwerfen

Ein Plädoyer für unbeschwerteres Wohnen

Daniel Kurz

Wer wenig Miete zahlt, gewinnt Freiheit, sein Leben zu gestalten und genau die Dinge zu tun, die darin wichtig sind. Das rechtfertigt den Verzicht auf Fläche und Komfort – doch warum bietet der Markt so selten wirklich preiswerten Wohnraum an?

Der Hofraum von Zwicky Süd folgt keinem romantischen Bild, sondern verkörpert eine aussergewöhnliche Robustheit, während das scheinbar idyllische Grün aussen herum wächst.
Bild: Andrea Helbling

Freilandversuch in Urbanität

Überbauung Zwicky Süd in Dübendorf von Schneider Studer Primas

Benjamin Muschg, Andrea Helbling, Myrtha und Bernard Garon (Bilder)

Das Areal der traditionsreichen Bindfadenfabrik Zwicky liegt tief in der Agglomeration, eingezwängt von Strassenkreuzungen, Tram- und Bahnviadukten. Wie ist die Idee gemeinschaftlichen Wohnens und Arbeitens hier gelandet? Funktioniert Partizipation im Alltag auch mit Menschen, die sie nicht eigens gesucht haben? Eine Reportage aus der mehrfach preisgekrönten Überbauung zwischen Dübendorf und Wallisellen von Schneider Studer Primas Architekten, in der Wohnen und Arbeiten zusammenkommen.

Studentenwohnhaus in Eindhoven von Office Winhov und Office Haratori.
Bild: Stefan Müller

Raum gewinnen durch Vorfabrikation

Studentenwohnhaus in Eindhoven von Office Winhov und Office Haratori

Paul Vermeulen, Stefan Müller (Bilder)

Die schweizerisch-niederländische Architektengemeinschaft Haratori/Winhov nutzte Erfahrungen aus der Schweiz, um auf dem Campus von Eindhoven ein fast unschlagbar kostengünstiges Haus für Studierende zu realisieren. Die schwere Vorfabrikation erlaubt nicht nur eine tektonische Gliederung der Fassade, sondern lässt auch im Inneren mehr Raum. Neben den üblichen Studios wurden Wohngemeinschaften und Aktionsräume möglich.

Originaltext Niederländisch

Nach aussen hin zeigt sich die Siedlung Oberwis in Winterthur-Dättnau kompakt und geschlossen; sie öffnet sich nach innen zum gemeinschaftlichen Hof, wo private und gemeinschaftliche Bereiche
sehr eng verzahnt sind. Architektur: Jakob Steib Architekten.
Bild: Pit Brunner

«20 Zentimeter sind eine Welt»

Generationengespräch zum Entwerfen erschwinglicher Wohnungen

Das Gespräch führten Caspar Schärer und Roland Züger, Pit Brunner (Bilder)

In Winterthur-Dättnau hat Jakob Steib ein Projekt zwanzig Jahre nach dem Wettbewerb fast unverändert realisiert. Das bietet Anlass zu einem Gespräch mit dem jungen Kollegen Johann Reble über die Zwänge und Freiheiten im preiswerten Wohnungsbau, wo scheinbare Kleinigkeiten ins Gewicht fallen – und über Entwurfsziele damals und heute.

Die bauliche Situation und der Markt in Domat sind so beengt, dass für die Architektur wenig Spielraum besteht. Weisser Feinputz auf Aussenwärmedämmung und Kunststofffenster gehören zum grauen Alltag des Architekten. Und doch: Auch damit ist Architektur möglich. Jedes Detail an Raphael Zubers Bau ist auf Ausdruck getrimmt; der Balkonturm im Hintergrund wird dafür zum eigentlichen Zeichen.
Bild: werk, bauen + wohnen

Re-Markierungen

Wohnhaus in Domat-Ems von Raphael Zuber

Tibor Joanelly

Im engen Dorfkern von Domat-Ems möchte eigentlich niemand wohnen – ausser er erhält dafür mehr Wert als auf der grünen Wiese. Der Architekt Raphael Zuber widersetzte sich der alltäglichen Praxis von Angebot und Nachfrage und setzte auf die Karte Architektur. Mit billigen Materialien schuf er ein Wohnhaus, das im Rauschen des Gewöhnlichen ringsum einen besonderen Ort auszeichnet.

Eine behäbig-bewegte Form von Sachlichkeit prägt die Architektur der Wohnsiedlung Vrenelisgärtli. Höchstens auf den zweiten Blick ist erkennbar, dass die Fassade neu gedämmt wurde.
Bild: Hannes Henz

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Erneuerung der Siedlung Vrenelisgärtli durch Fahrländer Scherrer Architekten

Daniel Kurz, Hannes Henz (Bilder)

Ersatzneubauten sind ein Motor der Erneuerung im Wohnungsbau, doch mit ihnen verschwindet immer auch erschwinglicher Lebensraum. Mit der Instandsetzung einer Zürcher Wohnsiedlung zeigen Fahrländer Scherrer Architekten, dass es Alternativen gibt. Die Sanierung ist kaum sichtbar – und dank einer geschickten Rochade wurden geräumige Wohnküchen geschaffen – das alles für wenige hundert Franken Mietaufschlag.

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Debatte

Hochhäuser überall und ohne besondere gesetzliche Einschränkungen? In der von uns lancierten Debatte plädiert der Städtebauer Christian Blum für die sorgfältige Setzung hoher Bauten.

Wettbewerb

Das Siegerprojekt der ARGE Steib Geschwentner und Tobler Gmür erklärt den Innenhof zum belebten Zentrum der Hochhausbebauung am verkehrsreichen Luzerner Bundesplatz. Ansätze zu einem grossstädtischeren Ausdruck der Überbauung werden auf die Plätze verwiesen.

Recht

Das Bauhandwerkerpfandrecht wirkt auch, wenn die Bauherrschaft ihren Verpflichtungen bereits nachgekommen ist. Neu kann trotz der Unpfändbarbarkeit von Gemeindegrundstücken eine verbindliche Bürgschaft der Gemeinde eingefordert werden.

Bücher

Zwischen Politik, Organisation und Architektur: Florian Heilmeyer präsentiert drei praxisnahe Publikationen zum preiswerten Wohnungsbau und Roland Züger empfiehlt intellektuelle Fingerübungen eines internationalen Architektennetzwerks.

Ausstellungen

In Antwerpen zeigt das Vlaams Architectuurinstituut Projekte des Büros De Smet Vermeulen. Und in Weil am Rhein stellt das Vitra Museum Fragen zur künftigen Rolle des Roboters.

Illustration: Johanna Benz

Kolumne: Architektur ist … Method Acting

Daniel Klos, Johanna Benz (Illustration)

Eintauchen in den Ort, Einswerden mit dem Grundstück? Method Acting als Entwurfsmethode verspricht unerwartete und durchaus paradoxe Erfahrungen.

Au pavillon d’été, l’ambiance n’est pas un résultat, il s’agit plutôt d’une matière première de projet. L’ambiance est le témoin d’un précieux équilibre entre contexte, matérialité et perception: la
consciente expérience du proche et du lointain.
Bild: José Hevia

Erstling: Répéter différemment

Observations sur le travail de Camponovo Baumgartner Architekten au Wildermettpark

Tiago P. Borges, José Hevia (Bilder)

Der Wettbewerb «Erstling» für Architekturkritik geht in die zweite Runde. Tiago Borges aus Lausanne eröffnet die neue Serie mit Reflexionen über Pavillonbauten im Berner Wildermettpark von Camponovo Baumgartner Architekten.

Camponovo Baumgartner Architekten finden Sie auch in unserem Schaufenster JAS Junge ArchitektInnen Schweiz

Mehr als nur eine Schule: Der Komplex in Chandieu in Genf ist ein multifunktionales öffentliches Gebäude, bildet neue Freiräume im Quartier und ergänzt damit einen städtebaulichen Plan aus den 1930er Jahren. Architektur: Atelier Bonnet.
Bild: Yves André

Quartiertreff am Grüngürtel

Schule Chandieu in Genf von Atelier Bonnet

Yves Dreier, Yves André (Bilder)

Die Quartierschule Chandieu in Genf von Atelier Bonnet besetzt eine Lücke im radialen Grüngürtel, der nach dem Plan von Maurice Braillard die Innenstadt mit dem Umland verbindet.

Originaltext Französisch

Befestigter Platz und architektonisches Zeichen in den Saleggi von Losone: Heizzentrale in Losone von Buzzi studio d\\\\\\'architettura.
Bild: Roberto Conte

werk-material 05.01 / 688

A Space Oddity

Linda Stagni, Roberto Conte (Bilder)

Heizzentrale in Losone TI von Buzzi studio d’architettura, Locarno

Originaltext Italienisch

Prägnante Marke am Gleisfeld in Aarau. Die Kubatur bildet das von den Ingenieuren vorgegebene Innenleben ab: Energiezentrale Torfeld in Aarau von Frei Architekten.
Bild: Daniel Erne

werk-material 05.01 / 689

Energiegeladener Monolith

Philipp Schallnau, Daniel Erne (Bilder)

Energiezentrale Torfeld in Aarau von Frei Architekten, Aarau

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