4 – 2019

Im Stadtblock

Poröse Formen urbaner Dichte

Schon vor hundert Jahren übten sich Architekten und Städtebauer darin, den Block zu humanisieren. Der Fluchtlinien-Städtebau des 19. Jahrhunderts bewirkte eine klare Trennung von öffentlichem und privatem Bereich und eine klare Hierarchie von Repräsentations- und Hinterseite. Wird die Begrenzung des Blocks im Reform-Städtebau geöffnet und volumetrisch geknetet, so dringen Licht und Luft in die Tiefe der Höfe, meist auch Freiraum und Grün, neue Sichtbezüge und Wegverbindungen werden möglich. Das heisst aber auch: Die Übergänge von Öffentlich zu Privat werden unübersichtlicher. Die Grenzen müssen in allen Fällen im Alltagsgebrauch ausgehandelt werden. Gerade dadurch tragen solche Hybridformen zur Diversität des Städtischen bei. Das zeigen die gebauten Beispiele in diesem Heft: Im Zürcher Surber-Areal wirkt die Gasse auf privatem Grund öffentlicher als die Strasse selbst; in der St. Leonhard-Schule in St. Gallen entstand ein erhöht liegender und bedeutungsvoll inszenierter Raum. An der Maiengasse in Basel wiederum öffnet sich das Hofhaus zur Strasse. Die Grenzen müssen in allen Fällen im Alltagsgebrauch ausgehandelt werden. Gerade dadurch tragen solche Hybridformen zur Diversität des Städtischen bei.

Statt erwartungsgemäss den Blockrand an der Maiengasse zu schliessen, öffneten ihn Esch Sintzel mit einem extrovertierten Hof.
Bild: Kuster Frey

Wohnen am Hofe

Wohnanlage in Basel von Esch Sintzel

Roland Züger, Kuster Frey (Bilder)

Statt an der Maiengasse in Basel den Block zu schliessen, öffnen Esch Sintzel ihn mit einem trichterförmigen Einschnitt zur Strasse. Durch diese einfache Figur gelingt eine Verdichtung nach innen, welche die Stadt in den Block holt und dem Quartier einen Raum schenkt. Bis ins Detail des Holzbaus zeigt sich dabei das Bestreben, einen gemeinschaftlichen Raum zu bauen.

Der gemeinsame Aussenbereich bindet Altbau und Neubau zusammen. Der öffentliche Raum im Blockinneren verzahnt sich mit dem Strassenraum.
Bild: Christian Kahl

Urbane Bühne

Schulanlage St. Leonhard in St. Gallen von Clauss Merz

Benjamin Muschg, Christian Kahl (Bilder)

In St. Gallen erhält das historische Schulhaus St. Leonhard vom Büro Clauss Merz ein ebenbürtiges Gegenüber auf einem gemeinsamen Sockel. Aus dem einstigen repräsentativen Solitär wird dadurch ein Stadtblock von hoher Dichte: Seine öffentliche Mitte ist nicht nur Pausenplatz und Zentrum der Schulanlage, sondern auch ein Anziehungspunkt für das ganze Quartier.

In der Tiefe des Blocks: eine mit Läden,Erkern und Balkonen belebte Gasse.
Bild: Roger Frei

Die Mebes-Kralle

Surber-Areal in Zürich von Züst Gübeli Gambetti

Daniel Kurz, Roger Frei (Bilder)

Eine Überbauung von Züst Gübeli Gambetti in Zürich-Aussersihl führt die quartierübliche Randbebauung inmitten eines Blocks um die Ecke nach innen. Die so entstandene Gasse entfaltet urbane Öffentlichkeit mitten im Hof. Es ist eine Antwort auf die Anforderung dichter Blockbebauung, die an den Berliner Reform-Städtebau erinnert.

Eingang zum Zaanhof-Komplex in Amsterdam (Johan van der Mey, ab 1913). Eine Cour d’honneur eröffnet die Überbauung, hinter der Hofdurchfahrt verbirgt sich der halböffentliche Dorfanger mit doppelter Randbebauung. 
Bild: Alamy Stock

Der vielseitige Stadtblock

Variationen eines städtebaulichen Typus

Vittorio Magnago Lampugnani

Konzentrierte Öffentlichkeit auf einer Seite, grüne Oasen auf der anderen: Die Blockrand-Bebauung hat der Stadt viel zu bieten. Die verblüffende Vielfalt an Formen, die der städtische Block annehmen, und an Räumen, die er schaffen kann, machen ihn aber zu einem wunderbaren Instrument, um wesentliche Aufgaben unserer Zeit zu lösen.

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Ausstellungen

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Bücher

Die Swiss architecture der 1980er und 90er Jahre zählt zu den soliden Mythen der hiesigen Architekturgeschichte. Irina Davidovici hat ihr Standardwerk Forms of Practice zum Thema erweitert und neu aufgelegt. Ein Lesegenuss. Dazu zweimal Städtebau: Der Wettbewerb Gross-Berlin 1910 und Atlas zum Städtebau.

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