Die seit Jahrzehnten kommunistisch regierte Vorstadt Ivry-sur-Seine und ihr Wohnungsbauunternehmen OPHLM boten den Nährboden für das Experiment eines Sozialwohnungsbaus im Dienst des Individuums. Gegen serielle Gleichförmigkeit traten bereits die ersten Bauten der Architektin Renée Gailhoustets an: Die Hochhausscheiben Raspail und Lénine beherbergen Duplexwohnungen und Gemeinschaftsflächen auf dem Dach. Die Bauten danach nahmen ganz neue architektonische und städtebauliche Gestalt an: Sternförmige Grundrisse, die durch Schnitt- und Drehbewegungen zu einem bewohnten und begehbaren Hügel geschichtet werden – Referenzen wie der Mont St. Michel oder die Stadt Matera lassen sich herbeiziehen. Sie betonen die Individualität der Bewohnerinnen und Familien, schaffen aneignungsoffene und begrünte Aussenräume trotz hoher Dichte. Das Experiment von Gailhoustet und Renaudie und ihre Emphase für weite Schwellenräume hat nun nach fünfzig Jahren eine Renovation verdient. Für manche der heute teils leer stehenden Ladenlokale müssen neue Ideen gefunden werden. Warum nicht im Geist der damaligen Umbaumassnahmen unter Einbezug der Bewohner? Das Zentrum von Ivry-sur-Seine eröffnet auf jeden Fall das ideale Feld für einen Situationistischen Spaziergang abseits der Touristenpfade der französischen Metropole.
Ivry-sur-Seine, die kommunistische Hochburg im Südosten von Paris, ist ein einzigartiges städtebauliches Labor. Wesentlich geprägt wurde es duch die 1929 in Oran, Algerien, geborene Architektin Renée Gailhoustet und ihren Lebenspartner Jean Renaudie (1925 – 81).
Der 1984 geborene Architekt und Fotograf Giaime Meloni aus Paris ist den Spuren von Gailhoustet und Renaudie in Ivry gefolgt. Er hat ihre Bauten mit frischem Blick exklusiv für uns festgehalten.
Am Anfang stand der Plan zur Sanierung einer Strasse, um der Spekulation in Ivry-sur-Seine einen Riegel vorzuschieben. Daraus wurde das Vorhaben für eine Modellstadt mitten im Bestand: mit Wohnungen, neuem Kulturzentrum und Läden. Die Realisierung des Masterplans dauerte mehr als 25 Jahre; und so lange dauerten auch die Kontroversen um den richtigen Ausdruck für die Architektur. Originaltext Englisch
Noch klar im Geist von Le Corbusiers Unité d'habitation greift das T-förmige Ensemble in den Stadtraum aus – doch in den Grundrissen und den Details zeigt sich bereits die Suche Renée Gailhoustets nach einem alltagstauglichen Ausdruck: Kinder beobachten die Strasse durch Bullaugen. Originaltext Französisch
Der Wohnkomplex von Jean Renaudie markiert den Beginn der Bauten in Sternform. Auf einem Raster von 5 × 5 Metern und basierend auf der Dreiecksform entstand ein «Berg» aus vorfabrizierten Elementen, mit begrünten Terrassen und hohem Grad an räumlicher Individualität. Originaltext Französisch
Hinter Renée Gailhoustet stand eine weitere starke Frau. Raymonde Laluque, Politikerin und Direktorin des Wohnbauunternehmens von Ivry-sur-Seine, kommt in der Wohnbaupolitik eine gesellschaftliche Schlüsselrolle zu. Sie erteilte Gailhoustet den Auftrag für den Masterplan von Ivry und setzte sich für ein neues Verständnis von Wohnen, Verwaltung und Stadtquartier ein. Originaltext Französisch
Frei ausgreifend und mit einem Einkaufszentrum im Bauch hält sich der Wohnhügel von Jean Renaudie an keinerlei Beschränkungen. Die fraktale Raumstruktur überwindet jede überlieferte Vorstellung vom Wohnen. Originaltext Französisch
Eine neue räumliche und konstruktive Strategie verfolgt Renée Gailhoustet mit ihrem letzten neuen Ensemble für das Zentrum von Ivry-sur-Seine: eine dichte Siedlungseinheit, deren modulierter Schnitt intime Innenhöfe generiert und an eine mittelalterliche Stadt erinnert. Originaltext Französisch
Renée Gailhoustet machte sich Mitte der 1960er Jahre mit dem Auftrag zur Renovation des Stadtzentrums von Ivry-sur-Seine selbstständig; Ihr Engagement in der Kommunistischen Partei führte sie zu einer urbanen Wohn-Architektur mit experimentellem Ausdruck und nahe am Alltag der Leute. Mit Jean Renaudie teilte sie ihr Leben und die Arbeit am Masterplan von Ivry – nicht aber das Büro. Originaltext Französisch
Die werk-material.online geht in eine neue Runde: Eigene Projekte können jetzt erfasst und mit dem ganzen Datenbestand verglichen werden. Das stärkt die Position der Projektierenden.
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Heinrich Helfenstein, 1946–2020
Pierre von Meiss, 1938–2020 Originaltext Französisch
Endlich gibt es einen umfassenden Architekturführer für Zürich. Werner Huber, Redaktor von Hochparterre, hat ihn publiziert. Valentin Groebner reflektiert, warum früher das Reisen noch half.
Ausgehend von einer traditionellen Typologie hat die Architektin Frida Escobedo in Mexiko-Stadt ein modellhaftes Wohnhaus für den Mittelstand geschaffen, das mehr als Enge «in sich hat»