In diesem Heft ist uns aufgefallen, dass die Architekten einiger der gezeigten Projekte auch bei der Namengebung zur erzählenden Rhetorik neigen. So ist etwa von einer «Goethe-Treppe» die Rede oder vom «(da)Vinci»-Schulhaus. Es scheint fast, als bedürfe der entwerferische Überschuss in Form spektakulärer Treppen zu seiner Legitimation einer höheren Patenschaft. Meist sind Treppen ja tatsächlich nur dazu da, Geschosse zu überwinden – ein notwendiges Übel. Doch zum Glück gibt es auch das andere: inszenierte Treppenanlagen, etwa die (irrtümlich) Leonardo zugeschriebene Doppelhelix auf Schloss Chambord im Loiretal, Michelangelos manieristische Verschwendung in der Biblioteca Laurenziana in Florenz, die Treppe der fürstlichen Residenz in Würzburg, der als Bühne der Bourgeoisie ausgelegte Aufgang zur Pariser Opéra Garnier – oder Le Corbusiers Förderband-ähnliche Rampen im Moskauer Centrosojus. Die Inszenierung des Hochsteigens bietet Architekten seit der Renaissance ein Betätigungsfeld mit garantiertem Raumgewinn: Treppen fordern Platz und schaffen Raum, sie verbinden Räume und öffnen Durchblicke. Nirgendwo erfahren wir Architektur so unmittelbar mit dem Körper wie beim Treppensteigen. Das ist im Zeitalter der nahezu berührungslosen Wisch-Gesten ein nicht zu unterschätzendes Asset. Denn die Mühe, die das Emporsteigen mit sich bringt, schafft jenes Gefühl der körperlichen – aber auch visuellen, taktilen und mentalen, ja sogar der sozialen – Interaktion, das für eine bewusste Wahrnehmung des Raums wichtig ist.
Die Treppe: problemlösendes Werkzeug oder sinnstiftendes Architekturelement? Die Geschichte der Treppe ist mindestens so alt wie jene der Architektur, doch hat die Treppe nicht so viel Würdigung in Theorie und Praxis erfahren wie beispielsweise die Säule. Ein Essay über das Wesen von Treppen und deren Wahrnehmung in Geschichte und Gegenwart.
Der Handlauf: im Grund nur ein Bauteil, das der sicheren Benutzung einer Treppe dient, kann dieser auch als Interface zur taktilen Kontaktaufnahme zwischen dem Treppensteigenden und der Architektur verstanden werden. Ein Plädoyer für mehr Bewusstsein beim Begehen und Planen von Treppen.
Effizient und imposant: Das Schulhaus Vinci in Suhr (AG) von Pool Architekten verfügt über eine ungewöhnliche Treppenanlage, die in der Form einer raumhaltigen Doppelhelix neben der offiziellen Erschliessung auch den Fluchtweg in sich birgt – womit das Schulhaus zur effizienten Maschine wird.
Inszenierung unter strengen Vorgaben: In einem Zürcher Industriequartier haben Gmür Geschwentner Architekten mit knappen finanziellen Mitteln das Wohnhaus für Studierende Binz 111 errichtet. Als Gegengewicht zur seriellen Anordnung der Studios im grösseren Block setzten die Architekten eine imposante Kaskadentreppe, die dem rigiden Bau Luft und Menschenwürde verleiht.
Raffiniert vom Sockel bis zum Dach: Der neue Kindergarten in Zihlschlacht (TG) von Lukas Imhof zeigt sich reich und verspielt im Ausdruck. Besonderheit ist die Treppe als Rückgrat des Hauses, welche durch ihre Eindrehung um 45 Grad die einzelnen Räume zueinander in Beziehung setzt.
Skulptural und symbolisch: Die weit schwingende Betontreppe füllt das Atrium im Hapimag-Hauptsitz in Steinhausen (ZG) von Thomas Hildebrand. Sie vermittelt ein geradezu sakrales Raumerlebnis, und ihre niedrigen Stufen verführen zu andächtigem Schreiten.
Das BSA-Forschungsstipendium hat in den letzten Jahren einige innovative und bahnbrechende Arbeiten ermöglicht – wie die Klumpen von Lisa Euler und Tanja Reimer oder Baugesetze formen von Gregory Grämiger. Nun ist das Stipendium wieder ausgeschrieben: Der BSA Schweiz sucht junge Forscherinnen oder Forscher!
Wonach richtet sich Architekturkritik in Zeiten des Klimanotstands? Hochparterre kritisierte unseren Bericht über das SRF-Medienzentrum von Penzel Valier («Das Tragsystem spricht», wbw 11–2019) – Daraus wurde eine online-Debatte und schliesslich ein Streitgespräch zwischen Tibor Joanelly und Axel Simon, moderiert von Karin Salm. Online lesen
Der legendäre Städtebauer Carl Fingerhuth zieht mit Menschen wie Häuser, Häuser wie Städte, Städte wie die Welt Bilanz über sein Leben und seine fundamentalen Erkenntnisse zur Transformation der Stadt. Ausserdem: À demeure von Francecso Della Casa und Bauten für die Bildung von Ernst Spycher.
Zwei Architekten und eine Betriebswirtschafterin arbeiten seit 2016 an einer Architektursprache, die durch ihre gemeinsame Heimat Glarus und deren spezifische landschaftliche und kulturelle Eigenheiten geprägt ist. Online lesen
Der Archipel Chiloé vor der Südküste Chiles verfügt mit seinen Fischerbooten, seinen hölzernen Iglesias und Capillas sowie den Palafitos, Pfahlbauten im patagonischen Wattenmeer, über eine faszinierende Holz- und Schiffbautradition. Der Architekt Edward Rojas führte sie mit einem Museum und der Cocineria, einem Food Court im Hafen von Dalcahue fort. Eine Reportage.