Architektur funktioniert nicht wie der Computer, auf dem dieses Editorial geschrieben wurde. Hier der Raum, die Hardware, und darauf aufgespielt das soziale Programm, die Software – hier das zentrale Nervensystem und darin eingesperrt, irgendwo, das Bewusstsein. (Hartnäckig hält sich in der Archi tektur das vereinfachte Denken, dass überlieferte Formen jedwede Funktion aufnehmen könnten. Als wäre sie eine neutrale Plattform, die mit wechselnder Software bespielt wird.) Dass reale Räume soziale Praktiken hervorbringen, überformen oder verhindern, kann auch um gekehrt formuliert werden: Menschliches Handeln formt Räume. Gerade in Zeiten des Wandels braucht es diese Räume. In ein solches Spannungsfeld wurde nicht zuletzt auch die Idee des «sozialen Kondensators» geboren: Wie im elektronischen Schaltkreis baut sich in ihm eine Spannung auf, um sich periodisch zu entladen. Der heute auffallend oft verwendete Begriff geht in seiner aktuellen Lesart auf Rem Koolhaas zurück und bezeichnet laut unserem Autor Tibor Pataky vor allem ein architektonisches Device, das zwischenmenschliche Beziehungen formt und intensiviert, also die Art und Weise verändert, wie wir miteinander interagieren.
Der schwellenlose Zugang zu Räumen, Dienstleistungen und Erlebnissen ist wichtigstes Merkmal der Kultur- und Freizeitzentren von São Paulo. Mit der Dichte von Wimmelbildern hat Danilo Zamboni diese räumliche Qualität illustriert und zeigt, wie der Raum seine Nutzung formt. Zambonis Zeichnungen erfassen die innere Komplexität der Projekte und die Beziehungen zum Aussenraum gleichzeitig.
Einst als Begriff für das Kommunehaus und den Arbeiterklub in der Sowjetunion entstanden, wurde der Social Condenser in den 1960er Jahren wiederentdeckt. Eine massgebende Rolle spielte dabei auch Rem Koolhaas, der ihn für seine Definition eines metropolitanen Lebensstils aneignete, freilich ganz von der ursprünglichen Ideologie befreit. Tibor Pataky führt uns ein in die Karriere dieses schillernden Begriffs und zeigt, wie die Architektur zum Medium sozio-kultureller Gestaltung wird.
Das Zollhaus in Zürich wurde zu früh ktitisiert: Ein Social Condenser und die Pflanzen auf der grauen Faserzement-Fassade brauchen Zeit, zu wachsen. Der dichten Packung von kommerziellen oder gemeinschaftsorientierten Nutzungen im Sockel haben Enzmann Fischer drei Wohnhäuser aufgesattelt. Darin können nun die viel diskutierten Hallenwohnungen besichtigt werden. Die soziale Energie transformiert eine Gegend, das Experiment scheint geglückt.
Öffentliche Räume und einladende Architektur können gerade in Armutsgebieten viel bewirken: Für ein positives Image oder ganz konkret zur Beherbergung bislang fehlender Nutzungen. An zwei Orten in Mexiko hat unsere Autorin Projekte aufgespürt, die das Versprechen in sich tragen, sich um die Anliegen der Bevölkerung zu kümmern. Die Architektur symbolisiert den politischen Willen der Regierung von Andrés Manuel López Obrador. Bleibt sie über seine Amtsperiode hinaus bestehen?
Das Forum Groningen von NL Architects ist ein Scheinriese. Er sprengt den Massstab, ist aber nicht bildbestimmend, denn er steht in zweiter Reihe am Grote Markt. Im Turm entfalten sich unterschiedlichste Nutzungen vom Kino über eine Bibliothek bis zum Museum. Die Krone bilden jedoch ein Restaurant und eine Dachterrasse, die Einheimischen und Besuchenden offensteht
Was Architekturschaffende über die Biodiversität wissen müssen, erklären die Landschaftsarchitektin Anke Domschky und die Stadtökologin Nathalie Baumann. Sie hinterfragen ausserdem unser Verhältnis zur Natur.
Das Motto Low Cost – Low Energy bestimmte das Wettbewerbsprogramm für die Primarschule Walkeweg in Basel. In der Stufe des Ideenwettbewerbs ging es um breit gefächerte Innovation im Bereich des nachhaltigen Bauens.
Here we are! Frauen im Design im Vitra-Design-Museum in Weil am Rhein will den Frauen in Gestaltungsdisziplinen mehr Sichtbarkeit verleihen. Ausserdem: Berta Rahms wachsender Pavillon an der ETH Zürich. Und eine Schau in Lissabon über Entwurf und Spiel.
Nina Zschokke analysiert Philippe Rahms neu erschienene Histoire naturelle de l’architecture, die Natur und Klima als Entwurfsfaktoren ins Licht rückt. Die Redaktion empfiehlt die Bücher 50 Hybrid Buildings und Napoli Super Modern.
Sibylle Bucher, 1965–2021
Die Uhrenmanufaktur Audemars Piguet in Le Locle von Kuník de Morsier ist auch ein Schaufenster für die Werte der Firma. Originaltext Französisch