Der französische Architekt Fernand Pouillon (1912–86), im eigenen Land lange Zeit verfemt, darf heute in keinem aktuellen Standardwerk der Architekturgeschichte mehr fehlen. Doch im Gegensatz zu den Wohnsiedlungen in Paris, Marseille oder Aix-en-Provence sind seine Arbeiten in Algerien immer noch kaum bekannt. Drei Stadtquartiere mit insgesamt 6700 geplanten und 4200 realisierten Wohnungen hat er in Algier 1953–58 zumeist aus massiven Natursteinblöcken errichtet. Dabei sind charakteristische Kompositionen entstanden, die noch heute eine grosse Ausstrahlungskraft besitzen. Unsere Autorin Michaela Türtscher hat 2020 eine Dissertation verfasst, die Aspekte der Komposition, Konstruktion, Bauprozesse sowie eine kritische Betrachtung der Rezeption von Pouillons Werk umfasst. Nach seiner Verurteilung durch französische Gerichte ist Fernand Pouillon 1966 in das nunmehr unabhängige Algerien zurückgekehrt. Dank alten Kontakten sind dort bis 1984 Dutzende weiterer Grossprojekte entstanden, insbesondere für den aufkeimenden Tourismus. Formal und konstruktiv hat Pouillon sich dabei vom Naturstein gelöst und neue Wege eingeschlagen.
Der 1976 geborene Lausanner Fotograf Leo Fabrizio verfolgt seit Jahren die Spuren des Architekten Fernand Pouillon in Algerien. Zum Einstieg zeigen wir seine Bilder von drei städtischen Wohnanlagen: Diar es Saâda, Diar el Mahçoul und Climat de France. Fabrizios Bilder sprechen davon, wie die Bauten heute noch geschätzt werden, wie darin gelebt wird und wie die Häuser dem Verfall trotzen.
In nur fünf Jahren löst Fernand Pouillon die Wahlversprechen des Bürgermeisters von Algier, Jacques Chevallier ein und realisiert 4200 Wohnungen für europäische und algerische Einwohner. Mit seinem ausgeklügelten System des modularen Entwurfs, dem kostengünstigen Bauen mit Naturstein aus Frankreich, rationalisierten Konstruktionsmethoden und Bauprozessen gelingt dem Architekten dieses Kunststück. Welche Hürden dabei zu überwinden waren und wie es ihm gelang, gleichwohl eine hohe Qualität im städtebaulichen Entwurf umzusetzen, erklärt unsere Autorin.
In Fernand Pouillons verschiedenen Werkphasen ändern sich Konstruktion und Ausdruck grundlegend. Immer aber geht es um eine soziale, den Voraussetzungen des Orts und den Bedürfnissen der Nutzer angepasste Architektur, deren Kraft auch dem Zerfall infolge mangelnden Unterhalts standhält. Eine Hommage des Fotografen. Originaltext Französisch
In den 1960er Jahren kehrt Pouillon nach Algerien zurück. Zusammen mit dem alten Freund J. Chevallier startet er eine zweite Karriere mit einem enormen OEuvre. Er baut Dutzende von Hotels und Ferienanlagen, manche davon sind veritable Kleinstädte. Dabei verlässt er die «Spur der Steine» und experimentiert mit anderen Materialien sowie mediterran-orientalischen Ausdrucksformen. Er hinterlässt ein vielgestaltiges Werk, das auch in formaler Hinsicht interessant und bis heute kaum bekannt ist. Die zweite Bildstrecke von Leo Fabrizio entführt uns in die Tourismusanlagen von Sidi Fredj und Tipasa westlich von Algier.
1954 beginnt der bewaffnete Kampf um die Unabhängigkeit Algeriens, der in einen blutigen Befreiungskrieg mündet. Der langjährige Nordafrika-Korrespondent von Radio SRF erklärt die Wirrnisse im damaligen Algerien und die Spannungen, die heute noch den politischen Alltag des Landes prägen. Nur aus dem kolonialen und postkolonialen Kontext lässt sich Fernand Pouillons Arbeit in Algerien verstehen.
Der Architekt Georges Descombes hat den Schweizer Grand Prix Kunst / Prix Meret Oppenheim gewonnen. Der Genfer hat sich zeitlebens für einen starken Bezug zur Landschaft in der Stadtplanung eingesetzt. Zuletzt realisierte er die Renaturierung des Flusses Aire in Genf.
Redaktor Tibor Joanelly spinnt das Gespräch um den Hintergrund der Architektur weiter. Dabei öffnen sich hinter den blinden Flecken des Diskurses Perspektiven auf die Erneuerung der Stadt und, nicht zuletzt auf Schönheit.
Access for All im Schweizer Architekturmuseum Basel überzeugt schon beim Auftakt – in Form einer offenen Zugangsrampe auf dem Trottoir. Das eröffnet einen ungewöhnlichen Blick auf das Thema in São Paulo sowie neue Blicke auf die Stadt Basel. Wir kündigen zudem eine Ausstellung zum Werk Aldo Rossis in Rom an.
Mit dem neuen Buch sei auch dies geklärt: Die Russen waren die Vorreiter der Moderne, meint Christian Sumi. Er hat für uns das ziegelsteindicke Buch von Anna Bokov über die russische Kunstschule Wchutemas gelesen: eine Mischung aus Bauhaus und Volkshochschule. Im einflussreichen Vorkurs von Noklai Ladovski in Moskau stand Architektur bereits 1920 im Programm. Ausserdem: Seng Kuans neue Monografie über Kazuo Shinohara.
Das riesige Bauwerk The Circle am Flughafen Zürich ist eröffnet. Redaktor Tibor Joanelly hat den Architekten Riken Yamamoto mit seinen Fragen konfrontiert. Woher kommt die Idee der kleinteiligen Räume, die das kolossale Programm bändigen?
Primarschule in Riaz FR, FAZ architectes
Originaltext Französisch
Hortpavillon in der École Geisendorf in Genf, David Reffo
Originaltext Französisch