In diesem Heft stehen verschiedene Aspekte von «Tiefe» zur Diskussion, physische und solche in übertragenem Sinn. Da wären der architektonische Raum als Bühne, die Tiefe des Commitments und ein Ausflug in Geschichte und Geologie. Steffen Hägele deutet in seinem Essay an, dass «Tiefe» neben aller Phänomenologie auch etwas mit Tiefgründigkeit, mit Recherche und Informiertheit zu tun hat – und mit dem Eingeständnis, dass nicht jede Art von Tiefe mit Architektur ergründet werden kann. Zwei gezeigte Umbau-Beispiele sind massgefertigte Unikate im gehobenen Segment und lassen sich nicht einfach auf Verhältnisse im Mietwohnungsbau übertragen. Oder doch? Wenn endliche Ressourcen beim Bauen ihr Recht einfordern und Architektur wieder mehr aus Dingen besteht, die ihre eigene Geschichte inkorporieren – dann könnte auch die gemeine Wohnarchitektur ganz allgemein tiefer und vor allem reicher sein.
Architektur sei «eine stille Sprache, die spricht», sagen die irischen Architektinnen. Die Kolonnaden am Kensington University Townhouse in London haben verschiedene Bedeutungen; sie vermitteln zwischen Innen und Aussen, sorgen für Durchlässigkeit und spielen zugleich das offene Innere frei. Doch «Tiefe» hat weitere, intellektuelle Bedeutungen, denen dieses Gespräch nachgeht.
Das umgebaute Haus an der Missionsstrasse in Basel von Buchner Bründler Architekten lässt sich als gebaute Landschaft lesen, die mit den Mitteln des Theaters ihre Vielschichtigkeit und Tiefe erreicht. Es sind Objekte und Ebenen im Raum, die den Blick wie Kulissen lenken und so die Wahrnehmung von Tiefe ermöglichen.
Die innere Struktur der geschichteten Sandsteinfelsen hat die neu geschaffene Felsenwelt von Miller & Maranta im Gletschergarten Luzern freigelegt; dabei kamen berührend unmittelbare Zeugnisse aus einer 20 Millionen Jahre entfernten Vergangenheit ans Licht. In der Tiefe des Bergs erlebt die Besucherin geologische Zeiträume und die physische Kraft des Gesteins.
Von aussen sei das Haus verschwiegen, im Inneren entfalte es seinen Reichtum, liess Adolf Loos einst verlauten, als hätte er dieses Haus in Freiburg schon gekannt. In einem aussergewöhnlichen Bau haben Aviolat Chaperon Escobar den entwerferischen Zauber für einmal in den Grundriss eingebaut, der über zwei lange Enfiladen erschlossen wird. Dabei entsteht ein Sog in die Tiefe, dem man sich schwer entziehen kann
Im digitalen Zeitalter sind die letzten Winkel unseres Lebens ausgeleuchtet. Es regieren das nüchterne Kalkül des Algorithmus und die spiegelglatten Displays unserer Gerätschaften. Die Technik bleibt diskret verborgen, und damit auch jeglicher Einblick in die Tiefe, der fürs Verstehen förderlich wäre. Nach einer Auslegeordnung zu Wirkungsweisen und Phänomenen der Tiefe kommt unser Autor zum Schluss: Für den virtuellen Raum liegt das Potenzial im «Opaken», im Chiaroscuro und im dialektischen Wechselspiel mit Transparenz.
In Italien verspricht der Superbonus 110% Kostenübernahme durch den Staat bei energetischen Sanierungen: Das hat einen Boom ausgelöst, der landesweit wertvolle Bausubstanz bedroht – auch von Meistern wie Luigi Caccia Dominioni oder Gio Ponti. Und: Roland Züger tritt als neuer Chefredaktor dieser Zeitschrift in die Fussstapfen von Daniel Kurz.
Seit 50 Jahren wird der Wakkerpreis verliehen, der Gemeinden für den vorbildlichen Schutz oder die umsichtige Entwicklung ihres Ortsbildes auszeichnet. Was bleibt vor Ort langfristig wirksam? Eine Diskussion mit Beteiligten aus drei Wakkerpreis-Gemeinden.
Mit Beton ist dem Schweizerischen Architekturmuseum eine Schau der Superlative gelungen. Kaum bekannte, aber spektakuläre Pläne hat Andreas Ruby den Architekturarchiven der ETH, EPFL und der Accademia in Mendrisio entlockt; Niklaus Graber entwarf die Szenografie: Nicht verpassen! Ausserdem: Hinweise zu drei sehenswerten Ausstellungen in Rom.
Eine Weltgeschichte des Designs legt Claude Lichtenstein in den zwei Bänden der Schwerkraft von Ideen vor. Dabei stehen die letzten 200 Jahre selbstverständlich im Vordergrund. Susanna Koeberle lobt das ebenso faktenreiche wie reflexionsstarke Buch, das die Voraussetzungen und Auswirkungen von Design kontextualisiert. Ausserdem ist das Handbuch Klima bauen des Hochparterre-Kollegen Andres Herzog anzuzeigen sowie Florian Heilmeyers Blick auf Wettbewerbe und Baukultur in Flandern.
Fast ohne sichtbare Spuren zu hinterlassen, erweiterte Marcel Baumgartner das Schulhaus Röhrliberg in Cham, 1974 vom jüngst verstorbenen Zuger Architekten Josef Stöckli erbaut. Baukulturelle Werte verbinden sich mit Nachhaltigkeit – und die Kosten blieben gering. Ein paradigmatischer Umbau.
Im gutbürgerlichen Londoner Quartier Hampstead bauten Sergison Bates einen Wohnkomplex für ältere Menschen in der Art eines Mansion Blocks des 19. Jahrhunderts. Seine Besonderheit sind labyrinthisch anmutendende, polygonale Grundrisse mit tief gestaffelten Wohnungen. Originaltext Englisch