Die Wohnhäuser und Siedlungen, die Büro- und Gewerbebauten, die überall abgebrochen werden, sie sind zumeist keine Denkmäler, keine herausragenden Architekturen, nicht einmalig in ihrer Art. Trotzdem vermitteln sie sehr oft Identität und Zusammenhang. Die immer zahlreicheren Abbrüche zerreissen städtebauliche Gefüge und einheitliche Massstäbe. Nur selten entstehen danach raffinierte Neubauten, die das Umfeld stärken – öfter hält unter dem Titel der Verdichtung der Geist der Agglomeration Einzug: aus lesbarer städtischer Ordnung wird zusammenhangloses Nebeneinander; massige Volumen bedrängen die Nachbarschaft, Gärten und Bäume müssen Tiefgaragen und ihren Einfahrten weichen. Und nicht zuletzt verschwindet mit dem Bestand erschwinglicher Wohnraum, werden ganze Bevölkerungsgruppen aus der Stadt verdrängt. Es ist aber weder die soziale noch die baukulturelle Kritik, welche die herrschende Abbruchwut heute entscheidend infrage stellt. Es ist die Einsicht der Dringlichkeit der Klimakrise. Wenn die Treibhausgasemissionen über die gesamte Lebensdauer (und nicht nur die Energieeffizienz im Betrieb) das entscheidende Kriterium sind, wird Abbruch als Strategie fragwürdig. Der Bestand ist ja nicht nur ein CO₂-Speicher, er enthält zugleich eine Einladung zur Suffizienz, zu einem Leben mit etwas weniger Fläche und Komfort.
Die Masse der abgebrochenen Bausubstanz in der Schweiz ist enorm – und kaum zu vereinbaren mit der Sorge ums Klima. Das Reparieren und Ertüchtigen erfordert jedoch eine gründliche Analyse des Vorhandenen, Ideenreichtum und auch Risikobereitschaft. Normen und Bauvorschriften benachteiligen den Umbau, und Abbruch ist heute zu billig: CO₂-Emissionen und Deponiegebühren müssen in Zukunft besteuert werden.
In Tokio stehen Tausende der typischen Einfamilienhäuser aufgrund von Spekulation oder rechtlichen Unsicherheiten leer. Junge Architekturschaffende – wie die Autorin und der Autor – haben solche Häuser wiederbelebt. Entscheidend ist dabei eine Hinwendung zur Strasse, vermittelt über neue Formen traditioneller Räume. Ma, das japanische Wort für «Zwischenraum», verkörpert den Raum zwischen Objekt und Objekt. Mehr Ma ist vielleicht eine Bank für Passanten oder ein Aufenthaltsraum für Kinder aus der Umgebung.
In einem rauen, eingeschossigen Gewerbebau am Rand von Sion brachten Mijong architecture design eine vielschichtige Kinderwelt unter. Die neuen Räume der Kinderkrippe La Pouponnniere Valaisanne verfügen trotz ihrer Lage im Untergeschoss über eine Grosszügigkeit, die nur der Bestand so hergeben kann. Ein Holzdeck mit amöbenförmigen Öffnungen verbindet Innen und Aussen.
Statt für Abbruch und Neubau entschieden sich Haworth Tompkins an der Kingston School of Art für eine sanfte Erneuerung des unspektakulären Bestandsbaus. Clevere Rochaden der Nutzungen ermöglichten Synergien oder spielten Flächen für Neues frei. Bei der Schaffung neuer Werkstätten und Ateliers setzten sie auf die industrielle Ausstrahlung von Betonstützen und Elementdecken im Rohbau sowie schräger Oblichter. Originaltext Englisch
Aus einem hässlichen kleinen Zweckbau, der ehemaligen Post im aargauischen Hunzenschwil, wurde ein inspirierender Kindergarten. Schmid Schärer und Weber Weber Architekten bezogen typische Elemente wie die Postfächer oder den Schalter spielerisch in die neue Nutzung ein. Gezielt eingesetzte Farbakzente zeichnen einzelne Situationen im Altbestand aus und machen sie dadurch mehrfach les- und nutzbar.
Der eidgenössische Grand Prix Design 2022 geht an die Innenarchitektin Verena Huber. Und werk-material.online eröffnet mit neuen Features noch mehr Möglichkeiten.
Was sind die personellen und organisatorischen Voraussetzungen für eine hohe Baukultur in Gemeinden? Ein Luzerner Forscherteam hat die Wakkerpreis-Gemeinden untersucht.
Ebenso spannend wie die in maximaler Dichte gestapelte Stadt auf dem Berner Areal «Wankdorfcity 3» ist die ungewöhnliche, auf Kollaboration setzende Art des Verfahrens.
Das AzW zeigt eine Ausstellung über Architektur und virtuelle Spielwelten. Ausserdem: die opulente Schau Napoli Supermodern am S AM Basel und eine Wiener Ausstellung über die Gruppe Missing Link.
Der Luzerner Buchhändler Heinz Gérard erhält den BSA-Preis 2022.
Zwei Tipps von Jenny Keller: Werner Sobek erläutert das «Bauen der Zukunft», während man in Basel über ungebaute Architektur nachdenkt.
Thema des BSA-Forschungsstipendiums sind die Potenziale leicht formbarer Sperrholz Elemente für die Architektur. Publikation bestellen
Focketyn del Rio haben die Basler Kaserne zum Rhein geöffnet – ein Durchbruch in jeder Hinsicht. Unsere Kritik ist zugleich ein Selbstversuch: Mit dem Davos Qualitätssystem Baukultur liegt ein international verfügbares, quantifiziertes Beurteilungstool vor. Hilft es weiter?