5 – 2017

Starke Bilder

Architektur und Fotografie

Keine Architekturmonografie, die dem Fotografen nicht breiten Raum gewährt, kein Museum mit Fotosammlung, das nicht seine Bestände für eine Sonderausstellung prüft. Warum also noch ein Heft dazu? Zwei Gründe: Zum einen hat sich die Zirkulation von Bildern durch die neuen Medien exorbitant gesteigert. Die Rede ist von einer Sprache, die erstmals rein über Bilder funktioniert. Bilder antworten auf Bilder, und wir alle sind beteiligt am Strom. Zum anderen hat sich dank der digitalen Bearbeitung auch die Bildproduktion vor dem Bau, die Kunst des Renderings professionalisiert, sodass sie kaum mehr hinter dem Abbild des Realen zurücksteht. Rendering, Fotografie und Gebautes beeinflussen sich gegenseitig. Die schiere Masse der Bilder macht einen neuen Umgang mit der Architekturfotografie nötig. Information und sachliche Repräsentation kann nicht mehr das einzige Ziel sein. Und schliesslich: als Redaktion sind wir selbst an der Produktion von Images beteiligt. In der Funktion als Redaktoren der Zeitschrift nehmen wir Einfluss auf die Deutungshoheit über die Architektur, via Auswahl ihrer Bilder. Leider bekommen wir nicht selten eine unbefriedigende Auswahl vorgesetzt: Wohnbauten ohne Menschen, Museen ohne Exponate, Städte ohne Leben. Um Architektur aber beurteilen zu können – dies ist unsere feste Überzeugung –, braucht es den Test auf ihre Alltagstauglichkeit. Gebrauch und Alltag sind jedoch meist aus den Bildern verbannt, und oft ist es auch die dezidierte Autorschaft des Fotografen.

Alex Hartley, (aus der Serie LA Climbs), 2003.
Steel House, Los Angeles, 1959, Pierre Koenig

Die Guten unter den Schönen

Fünf Punkte für eine bessere Architekturfotografie

Roland Züger

Für eine Zeitschriftenredaktion wie unsere sind Fotos ein lebenswichtiger Rohstoff. Zu oft sind wir aber nicht zufrieden mit der Ernte. Zu oft zeigen die Bilder Architektur in heroisch erstarrtem Gestus, die Wohnungen leer, die Museen verwaist. Deshalb stellen wir fünf konkrete Punkte für eine bessere Architekturfotografie zur Debatte. Wir fordern mehr Gebrauch, mehr Mensch, mehr Kontext, mehr Wetter und mehr Zeit.

Moritz Küng (Hg.), Walter Niedermayr / Kazuyo Sejima + Ryue Nishizawa / Sanaa Foto: Walter Niedermayr, Bildraum S 3
Bild: Roberto Ruiz

Weg- und wieder hinschauen

Architekturfotografie zwischen Komposition und Raum

Moritz Küng, Roberto Ruiz (Bilder)

Je enger die Beziehung und die gegenseitige Wertschätzung zwischen Architekt und Fotograf, desto ausgeprägter wird die «Bildfindung». Moritz Küng, Ausstellungsmacher und Publizist, zeigt in fünf Beispielen, wo Kongenialität beginnt und wie Fotografie und Architektur Autonomie bewahren: durch verschiedene Handschriften, die Verfremdung der Präsentationsform oder einen verstörend intimen und abschweifenden Blick.

Hier entsteht ein legendäres Bild: Jules Shulman (1910 – 2009) exponiert sich beim Case Study House No. 22 von Pierre Koenig, 1960. 
Bild: Paul Getty Trust

Modell und Bild

Eine friedliche Ehe gerät in Bewegung

Urs Stahel

Das Verhältnis von Architektur und Fotografie war bis anhin kaum ein Feld von grossen Experimenten. Die klare Auftragssituation verhindert das in der Regel. Der Kurator Urs Stahel sieht aber dennoch einen Silberstreif am Horizont: Er zieht Parallelen zur Modefotografie, die in den 1990er Jahren aus einem engen Korsett ausbrach. Ähnliches wäre auch für die Architekturfotografie denkbar.

Jörg Koopmann, Fröttmaninger Heide mit Allianz Arena, 2016

Ausschnitt und Moment

Fünf Positionen zur Architekturfotografie

Peter Bialobrzeski, Erica Overmeer, Istvan Balogh, Arne Schmitt, Jörg Koopmann

Wo Auftragsfotografie in freie Arbeit übergeht, bleibt der Fotografin oder dem Fotografen mehr Raum für die Wahl von Fokus und Bildsprache – die Grundstücksgrenze begrenzt nicht länger den Bildausschnitt. Die Bildserien von Peter Bialobrzeski, Erica Overmeer, Istvan Balogh, Arne Schmitt und Jörg Koopmann zeigen einen je eigenen Blick auf die gebaute Welt.

Jérôme Humbert, Kleinhäuser in Fribourg, LVPH, wbw 1 / 2–2013

Ins rechte Licht rücken

Lieblingsbilder der Redaktion

Roland Bernath, Katalin Deér, Jérôme Humbert, Roman Keller, Walter Mair

Diese Bilder sind vielleicht auch Ihnen aufgefallen? Redaktion und Art Director haben in den Heften der letzten Jahre gestöbert und ihre persönlichen Lieblingsfotos herausgesucht. Es sind Bilder von Roland Bernath, Katalin Deér, Jérôme Humbert, Roman Keller und Walter Mair, mit denen wir eine besondere Erfahrung verbinden.

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Debatte

Hochhauskonzepte helfen nicht weiter, wenn sie nur Ausschlussgebiete für Hochhäuser definieren. Der Städtebauer Han van de Wetering plädiert daher für Planungen, die Wunsch- Standorte mit städtebaulicher und ökonomischer Ausstrahlung definieren.

Wettbewerb

Die Stadtgemeinde Grand-Saconnex spannte für den Wettbewerb Carantec mit einem privaten Investor zusammen, um an städtebaulich entscheidender Stelle mit Wohnbauten Städtebau zu schaffen. Group8 hat den Wettbewerb gewonnen. Originaltext Französisch

Recht

Nur rechtzeitig und schriftlich abgesetzte Abmahnungen, nicht aber generelle Klauseln im SIA-Vertrag befreien den Architekten vor unabsehbaren Schadenfolgen.

Bücher

Um die Produktionsbedingungen der Architekturfotografie, um das Zustandekommen und die Auswahl von Bildern geht es im Band Vom Nutzen der Architekturfotografie von Angelika Fitz und Gabriele Lenz.

Ausstellungen

Mit dem Umbau des ehemaligen Commonwealth Institute hat das London Design Museum einen höchst repräsentativen neuen Sitz bekommen. Claude Lichtenstein berichtet.

Illustration: Johanna Benz

Kolumne: Architektur ist … ein Long Take

Daniel Klos, Johanna Benz (Illustration)

Unser Kolumnist versetzt uns in eine atemlose Szene mitten in einem Fussballstadion in Buenos Aires. Die ungeschnittene Filmsequenz, der so genannte Long Take ist für ihn der Anlass, über Raum, Zeit und Kopfkino nachzudenken.

Vielfältige Schwellenzonen, Treffpunkte und Nischen gliedern den Hof des 2011 erbauten Edificio 111 in Barcelona von Ricardo Flores und Eva Prats.
Bild: Duccio Malagamba

Lernen von Export Barcelona

Wohnungsbau im städtischen Kontext

Xavier Bustos und Nicola Regusci

Enge Grundrisse – reicher Aussenraum. Wohnbauten in Barcelona unterscheiden sich von jenen in der Schweiz, wo man sich auf die Grundrisstypologie konzentriert. Seit 2013 fördern Xavier Bustos und Nicola Regusci mit ihren Import–Export-Ausstellungen den Architekturaustausch.

Originaltext Spanisch

Statt dem geforderten Anbau an den Bestand schlugen Franco Pajarola und Christian Bühlmann
einen frei stehenden Neubau vor: Primarschule in Mülligen.
Bild: Benedikt Redmann

Erstling: Auf den Weg gebracht

Primarschule in Mülligen AG von Franco Pajarola und Christian Bühlmann

Christoph Ramisch, Benedikt Redmann (Bilder)

Mit einem erfahrenen Projektpartner realisiert der junge Architekt Franco Pajarola seine erste Schulhauserweiterung. Dies ermöglicht die Umsetzung des Entwurfs ohne schmerzliche Kompromisse.

Das Bauernhaus aus dem 17. Jahrhundert verbindet typische Merkmale von Berner Oberländer Bauernhäusern mit der im Mittelland typischen angebauten Scheune und der Hocheinfahrt. Stallumbau von Johannes Saurer
Bild: Christine Blaser und Matthias Rindisbacher.

werk-material 01.07 / 692

Zaumzeug für den Raum

Rahel Hartmann Schweizer, Christine Blaser (Bilder)

Bauernhaus-Umbau in Wattenwil BE von Johannes Saurer, Thun und Matthias Rindisbacher, Bern

Die ehemalige Scheune ist noch am Biberschwanzziegeldach zu erkennen: Die neue Südfassade ist hingegen eine zeitgemässe
Neuinterpretation. Umbau eines Bauernhauses von Jonathan Roider.
Bild: Jürg Zimmermann

werk-material 01.07 / 693

Dialektik der Bri-Collage

Clea Gross Matter, Jürg Zimmermann (Bilder)

Umbau eines Bauernhauses mit Scheune in Winterthur-Iberg von Jonathan Roider, Zürich

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