Wie steht es um gemeinschaftliche Wohnmodelle abseits von Zürich? Was läuft in Bern, Basel, München oder London? Da, wo der wirtschaftliche Druck (abgesehen von den Beispielen aus dem Ausland!) noch nicht ganz so gross ist, wo es Nischen gibt, wo der Boden (in der Peripherie) noch verfügbar ist – und nicht an den Meistbietenden geht. Glücks- und Spezialfälle können für das breite Wohnen nur bedingt Vorbilder sein, und doch erzählen sie alle etwas von einer Stadt, die anders funktioniert, als es uns die gängige Projektentwicklung vormacht. Und sie sind allesamt architektonisch bemerkenswert und beweisen somit, dass soziale Form in der heutigen Zeit auch ein Bild braucht, ein Image, einen architektonischen Ausdruck, der sich bei Geldsuche, Kaufverhandlungen und im Austausch mit Ämtern kommunizieren lässt. Architektur baut darum mit der richtigen Bauherrschaft auch am Sozialen mit und führt zu Lösungen und zu Lebensentwürfen, die zuvor noch nicht imaginiert worden waren – aber möglich sind und funktionieren, wie dieses Heft zeigt.
Das Genossenschaftshaus Warmbächli in Bern kommt wie ein Dampfer daher. BHSF Architekten und Christian Salewski haben für das Areal der ehemaligen Kehrichtverbrennung den Städtebau entworfen, wo sich viele Genossenschaften einquartieren. Mittendrin befindet sich das Flaggschiff Warmbächli in einem alten Lagerhaus: kolossale Raumtiefe, fette Stützen, fast fünf Meter Raumhöhe. Die neu gegründete Genossenschaft nutzt den Bestand sehr geschickt, sodass vielfältige Wohnungen und Gemeinschaftsräume ins neue Quartier hinausstrahlen.
Die Kooperative Grossstadt hat in München ihren Erstling realisiert. San Riemo wird das Baby genannt, das alle begeistert und mit Preisen überschüttet wurde: jüngst mit der Auszeichnung des Deutschen Architekturmuseums. Während auf dem Dachgarten und im Waschsalon reger Betrieb herrscht, hat die Kooperative weitere Projekte ausgeheckt: Der zweite Streich, ein Wohnhaus aus Holz, wächst in München-Freiham in die Höhe, während die Kooperative neue Wege beschreitet und ihr drittes Haus im partizipativen Planungsprozess entwickelt.
Auf dem städtebaulichen Plan von Metron bauen im Norden Basels ein Dutzend kleine Genossenschaften ein neues Quartier. Die Stiftung Habitat vergab die kleinen Parzellen dafür im Baurecht an Akteure, die sonst nicht an der Stadtentwicklung beteiligt sind. Auf diese Weise entsteht ein stark gemischtes, kleinteiliges Areal. Seine Vielfalt zeigt: Es gab keine Gestaltungsregeln, dafür Vorgaben zur Mindestbelegung und zum ökologischen Bauen. Ein Mehrwert ist die Nachwuchsförderung. Zahlreiche Jungbüros konnten hier ihren ersten Neubau realisieren.
Grossbritannien konnte zuletzt nach dem Zweiten Weltkrieg mit vorbildhaftem Wohnungsbau aufwarten. Doch nun zeigt das junge Büro Apparata im Londoner Osten mit seinem Haus für Kunstschaffende, dass es wieder geht, sogar im Modell des sozialen Wohnungsbaus. Ein Versprechen sind die flexibel schaltbaren Grundrisse am offenen Laubengang und der Gemeinschaftsraum im Erdgeschoss, in dem Veranstaltungen fürs Quartier organisiert werden, im Gegenzug zur günstigen Miete. Originaltext Englisch
Im Leserbrief zum Heft «Bau und Baum» (wbw 7/8–2022) bricht Peter Baumgartner, ehemaliger stv. Denkmalpfleger des Kanton Zürich, eine Lanze für den Baumbestand.
Wir müssen uns wieder stärker um die gewachsenen Orte kümmern und ihnen mit einer entwerferischen Idee zur Blüte verhelfen, ermahnen uns Patrick Thurston und Oliver Streiff vom neu gegründeten Forum Raumordnung Schweiz.
Auf dem Boden des Kantons Basellandschaft baut die Stadt Basel eine Universität. Die Pläne dafür zeichnen die Pritzker-Preisträgerinnen von Grafton zusammen mit Blaser Architekten. Neben zahlreichen Neubauten verspricht ihr Ansatz mehr Grün und einen konsequenten Re-Use des Bestands.
Der Ungers-Bau des Deutschen Architekturmuseums in Frankfurt am Main wird saniert, die Institution ist ins Umland geflüchtet. So passt das Thema Bauen auf dem Land zur rezensierten Schau. Vom Wiedersehen mit Valendas, aber auch Neuem aus Thüringen oder dem Südtirol berichtet unsere Autorin Ursula Baus. Ins S AM nach Basel ruft die kritische Schau Abriss (mit Countdown 2030), nach Stuttgart eine Ausstellung über unfertige Häuser.
Stanislaus von Moos’ Buch über den Architekturdiskurs nach 1940 hat Daniel Kurz gelesen. Entgegen der Vorstellung von der «Stunde Null» konnten kriegsverschonte Länder wie Schweden und die Schweiz ihre Moderne bruchlos weiterentwickeln und so in der Nachkriegszeit zum Vorbild aufsteigen. Die Redaktion empfiehlt zudem: Georg Aernis Fotoband Silent Transition (die Bilder sind derzeit auch in der Fotostiftung Winterthur ausgestellt) und eine Recherche zu Architekten, die das Ferienidyll Cadaqués verzaubert haben.
Der Architekt Muzharul Islam ist eine Schlüsselfigur der bengalischen Architekturszene. An seinem Werdegang und seinen Bauten zeigt unser Südostasienspezialist Niklaus Graber in einem exklusiven Portrait, welchen Einflüssen die Architekturentwicklung von Bangladesch unterlag, aber auch, was wir heute vom klimasensiblen Bauen in diesem Teil der Erde lernen können.