JAS Nr. 28 – Haltmeier Kister Architektur, Zürich

Alt und Neu zugleich

Sie schwitzten nebeneinander vor den Computern auf dem Hönggerberg und zeichneten vereint im brasilianischen Grosstadtgebirge. Liliane Haltmeier (1984) und Luise Kister (1983) sind ein deutsch-schweizerisches Frauenduo, das seit 2014 in Zürich ein gemeinsames Büro führt. Erfolgreich: Eine Handvoll Wettbewerbe sind gewonnen und ein beachtenswerter Erstling realisiert.

— Roland Züger, 30.07.2018

Wie habt ihr euch kennengelernt und wie eure Zusammenarbeit begonnen?

Wir sind ein Team mit unterschiedlichen Wurzeln: die eine gebürtig in Luzern, fasziniert von der Welt der Kunst der väterlichen Galerie, die andere aus Köln, geprägt durch die architektonische Tätigkeit der Eltern; die eine mit Studium und Berufsstart bei Neff Neumann Architekten ausschliesslich in Zürich, die andere mit Studium in Aachen, Australien, Zürich und tätig im Büro von Meinrad Morger in Basel.
Diese beiden Stränge verbinden sich während eines Studiensemesters an der ETH Zürich und lösen sich nicht mehr. Auf einer Reise durch Brasilien bewegen wir uns zeichnend gemeinsam fort und diskutieren und reflektieren angesichts der radikalen konzeptionellen Betonarchitektur architektonische Haltungen. Wir sind einander als Architektinnen sehr nahe und haben dennoch unterschiedliche Perspektiven, woraus ein inspirierender Diskurs entsteht.

Was ist euch wichtig im Denken und Entwerfen?

Wir schätzen die strukturierte, sorgfältige Arbeitsweise mit transparenten Entscheidungen. Das analytische Vorgehen begleitet die Suche nach effizienten, massgeschneiderten Lösungen, bei welchen Baustein für Baustein sinnvoll ineinandergreift. Diese Vorgehensweise ermöglicht es uns, auch dem Sinnlichen und dem Intuitiven Raum zu geben und eine atmosphärische, zeitlose Architektur zu schaffen. Unsere Projekte sollen eine Sensibilität entfalten und sich unverwechselbar mit dem Ort verweben. Neben diesen Ansprüchen gilt es die Vorgaben und Wünsche des Bauherrn kreativ umzusetzen. Wir fühlen uns bestätigt, wenn nicht nur Fachleute unsere Gebäude schätzen.

Und wie zeigen sich diese Aspekte konkret in Mehrfamilienhaus in Luzern?

Das Wohnhaus Schachenstrasse ist unser erstes gemeinsames Projekt. Ein Ersatzneubau sollte ein Wohnhaus einer sechsteiligen Baugruppe in der Ortsbildschutzzone ersetzen. Um den Neubau sorgfältig in die Baugruppe einzufügen, ging dem Entwurf eine fundierte Ortsanalyse voraus. Unsere unterschiedlichen Wurzeln schärften dabei unsere Wahrnehmung. Wie erzielt man ein stimmiges Nebeneinander von Alt und Neu? Wie transformiert man historische Themen angemessen und respektvoll in zeitgemässe Architektur? Wie bleiben vorhandene Qualitäten trotz höherer Dichte erhalten?
Der Neubau fügt sich selbstverständlich in die bestehende Zeilenbebauung ein, indem er sich an Volumetrie, Struktur und Materialisierung des Bestands orientiert. Ein wichtiger Fokus liegt auf dem Schrägdach. Es knüpft am Walmdach des Bestands an und entfernt sich gleichwohl von diesem, indem es sich beidseitig zu grossen Gauben aufwirft. In den Wohnungen wird diese Bewegung räumlich erlebbar. Teils greift das letzte Vollgeschoss mit überhohen Räumen unters Dach, teils erschafft sich das Dachgeschoss über diese Gauben belichteten und nutzbaren Raum an der Fassade. So gewinnen die kompakten Wohnungen eine überraschende Grosszügigkeit.

Mehrfamilienhaus Schachenstrasse, Kriens

Haltmeier Kister Architektur, Zürich

www.haltmeierkister.ch

Schachenstrasse 36, 6010 Kriens; Bauherrschaft: Einfache Gesellschaft Auf der Maur, Kriens; Baumanagement: Weberwaber, Luzern; Chronologie: Direktauftrag, Planungsbeginn 2014, Baubeginn 2016, Bezug 2017; Fotograf: Lukas Schaffhuser

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