JAS Nr. 56 – Lopes Brenna, Chiasso

Die Erdkruste bauen

Bauen ist ein Prozess und Mängel können durchaus zu Entwurfsgeneratoren einer neuen räumlichen Ordnung werden. Etwa so könnte man das Entwurfscredo des jungen Tessiner Architekturbüros von Cristiana Lopes und Giacomo Brenna zusammenfassen. Beim Haus in Porto zeigen sie eine überzeugende Umsetzung davon.

— Roland Züger, 25.08.2020

Wie habt ihr zusammengefunden und was sind Eure Vorbilder?

Lopes Brenna architetti ist ein Atelier, das 2011 von Cristiana Lopes und Giacomo Brenna in Como gegründet wurde, nach der Zusammenarbeit mit Francisco und Manuel Aires Mateus in Lissabon und Stefano Moor in Lugano. Seit 2019 hat das Atelier seinen Sitz in Chiasso. Cristiana Lopes schloss ihr Studium an der Escola Superior Artistica do Porto in Portugal und Giacomo Brenna an der Accademia di architettura in Mendrisio ab.

Unsere Helden sind all jene Architekten, denen es in verschiedenen Epochen gelungen ist, zum kollektiven Prozess der architektonischen Recherche beizutragen, der uns bis heute überliefert ist. Dieses kollektive Wissen gehört uns allen und unterstützt uns beim Entwerfen.

Was ist Euch wichtig beim Denken und Entwerfen von Architektur?

Wir sind von einer Sache überzeugt: Wir bauen die Erdkruste. Obwohl die Arbeit des Architekten von sehr unterschiedlichen Annahmen ausgeht, lässt sie sich in dieser einzigen Bedingung zusammenfassen. Es ist ein Zustand der Zugehörigkeit sowohl räumlich als auch materiell, sowohl physisch als auch konzeptuell.

Jeder Raum, den der Mensch baut, ist ein Akt der Aneignung und dadurch der Veränderung eines Ortes. Eine Geste, die in einem bestimmten Moment und an einer bestimmten Stelle gemacht wird, aber gleichzeitig auch unabhängig vom Konzept des «Hier und Jetzt» ist. Ein Gedanke, der Teil eines kollektiven Forschungsprozesses ist, universell und zeitlos. Der Raum ist ein Moment der Synthese in diesem Prozess. Jeder Raum, obwohl er sich selbst definiert, gehört zu einem umfassenderen und komplexeren System. Jeder Raum gehört zu einer Spur, einem Gebäude, einer Stadt. Jeder Raum, so autonom er auch sein mag, ist das letzte oder erste Element der Definition der Erdkruste.

Borges, der sich auf Kafkas Literatur bezieht, spricht von «Unterordnung und Unendlichkeit». Zwei Begriffe, die auf eine Art räumliche und zeitliche Verortung des architektonischen Gedankens hinweisen. Jede Wahl, die der Architekt trifft, ist ebenso untergeordnet wie zeitlos: Jedes Zeichen, das wir setzen, selbst das kleinste, wird von etwas erzeugt und wird später für etwas anderes genutzt und überzeichnet. Dieser kontinuierliche Prozess ist keine Beschränkung, sondern erzeugt im Gegenteil neue Bedingungen, Möglichkeiten, Gründer, Unerwartetes und Subversives. Ohne Ende.

Wie zeigen sich diese Gedanken in Eurem Entwurf für das Haus in Porto?

Das Haus, das wir renoviert und umgebaut haben, gehört zu einer in den 1980er Jahren an der Nordküste Portugals errichteten Wohnanlage. Im Laufe der Jahre haben Anbauten zur Gartenseite das Verhältnis zum Aussenraum und die Lichtverteilung in den Räumen beeinträchtigt.

Das Projekt beginnt somit mit dem Überdenken und Überschreiben dieser Elemente – konkret: eine Veranda und ein Badezimmerturm. Sie geraten nach dem Umbau zu einer Art Lichtgerät, aber auch zu einem Verbinder von Aussen und Innen. So erwachsen aus Mängeln der Architektur die zentralen Entwurfselemente als Generatoren eines neuen Zustands, in dem das Haus mit dem Garten verschmilzt. Ein neues Volumen aus Beton, eine lange Küchentheke, durchkreuzt die neue Raumfolge.

Renovation Haus in Porto

Lopes Brenna Sagl, Chiasso

www.lopesbrenna.ch

Renovation Haus in Porto; Architekten: Lopes Brenna, Chiasso; Mitarbeit: Yiyuan Shi; Adresse: Espinho, Oporto, Portugal; Bauherr: Privat; Chronologie: Bau und Einzug 2019; Bilder: Marco Cappelletti

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