Florian Hartmann (1985) und Piero Bühler (1985) kennen sich seit der Hochbauzeichnerlehre. Johannes Leibundgut (1982) wiederum arbeitete mit Florian Hartmann in einem Zürcher Architekturbüro. Seit 2019 führen sie ihr gemeinsames Büro OLBH. Was der Um- und Anbau auf der Lägern Hochwacht mit dem besten Boot zu tun hat, erfährt man von ihnen selbst.
Unsere Wege haben sich bereits verschiedentlich in Ausbildung und Praxis gekreuzt. 2015 sind daraus die zwei eigenständigen Büros Bühler Hartmann und Leibundgut Architekten entstanden. Von Anfang an teilten wir uns die gleichen Räumlichkeiten und pflegten einen intensiven Austausch über unsere Arbeiten. Die bereits existierenden Freundschaften wurden gestärkt und neue bildeten sich während der intensiven Zusammenarbeit. Wettbewerbserfolge und erste gemeinsame Projekte haben 2019 zum Zusammenschluss und der Gründung von OLBH – Office Leibundgut Bühler Hartmann – geführt.
Stefan Wülser, mit dem wir einen intensiven Austausch über unsere Projekte, architektonische und gesellschaftliche Ansichten pflegen, fasst unsere Haltung so zusammen: «Ein Boot hat Eigengesetzlichkeiten, es findet seine Form vordergründig in den unbestechlichen Regeln der Physik: Im Auftrieb und in der Wasserverdrängung. Doch das ideale Boot auf dem Zürichsee sieht anders aus als das in der Adria; das ideale Boot für die sportliche Meisterschaft unterscheidet sich von seinem repräsentativen Pendant. Neben den allgemeinen Faktoren spielen auch die weniger offenkundigen, spezifischen Einflüsse entscheidende Rollen.
Während Wind, Temperatur und Strömungskonstanz dabei messbare Grössen sind, verliert die nüchtern mathematische Betrachtung spätestens in der Beschäftigung mit der Geschichte des Bootsbaus ihren Reiz. Die Simulation soll im zeitgemässen Bootsbau durchaus der Formfindung zur Seite stehen, kann aber alleine weder technischen Fortschritt noch Schönheit hervorbringen.
Dafür braucht es die persönliche Erfahrung und die Philosophie einer jeden Bootswerft. Neben einer möglichst fundierten Kenntnis der äusseren Einflüsse, baut diese auf dem Bewusstsein für die eigenen handwerklichen Fähigkeiten, für die verfügbaren Materialien und für die persönliche und kulturelle Bedeutung jedes einzelnen Bootes auf. Erst im Spannungsfeld all dieser Parameter findet sich die richtige Form oder das beste Boot.
Das Entwerfen selbst weist grosse Parallelen zum Antäuen eines Bootes auf. Mehr Zug beim Anholen führt nicht zwingend zum grösstmöglichen Halt. Diesen erreicht man bloss durch das Aufschricken gewisser Leinen, durch das Nachgeben an einem Ende um am anderen eine bessere Verankerung zu erreichen. Es gilt, die richtigen Seile lange genug lose zu halten, um reagieren zu können – Seile komplett loszulassen oder im richtigen Moment festzumachen.»
Das Ensemble auf der Lägern Hochwacht mit seiner über 120-jährigen Tradition wurde umfassend saniert und entsprechend seiner bisherigen Geschichte weitergebaut. Die Anbauten, die den historischen Turm umgeben und im Zeitraum von über hundert Jahren entstanden sind, ersetzten wir durch einen neuen Holzbau. Die Qualitäten dieses Konglomerats einzelner nach und nach angefügter Anbauten unterschiedlicher Volumetrie wurden aufgegriffen und bleiben das zentrale entwurfsbildende Element. Der westseitig niedrig in Erscheinung tretende Neubau fasst den bestehenden Turm und bildet eine durch das Vordach klar ersichtliche neue Eingangssituation. Die ursprünglich präsente Silhouette des Turmes rückt wieder in den Vordergrund und stärkt somit den Gartensitzplatz durch die klar proportionierte Geometrie zwischen Hausfassade und Baumbestand.
Der inventarisierte Bestand wurde umfassend saniert und das Bruchsteinmauerwerk freigelegt. Angrenzend an diesen hundertjährigen Massivbau entwickelt sich nun beidseitig ein feingliedriges klar gerichtetes Tragwerk in Holz, welches ein leicht geneigtes, mit einer thermischen Solaranlage eingedecktes Satteldach trägt. Die von Ost nach West verlaufenden Rahmen aus gleich dimensionierten Fassadenstützen und Sparren liegen auf einer am Bestand lateral vorbeilaufenden Firstpfette auf. Nord- und Südfassaden sind entsprechend nichttragend ausgebildet. Die Bandfenster und die geringe Fassadentiefe verstärken diese Differenzierung zum stark gerichteten Ausblick durch die rhythmisierten Seitenfassaden. Sämtliche tragenden Konstruktionen und die inneren Verkleidungen und Möbel sind aus einheimischem Fichten- oder Tannenholz gefertigt. Die Fassadenverkleidung als Wechselfalzschalung aus einheimischer Fichte ist sägeroh, gebürstet und mit einer Schlammfarbe gestrichen.
Ein nachhaltiges Vorzeigeprojekt war der Auftraggeberschaft von Beginn an ein zentrales Anliegen. Ebenso der Einbezug lokaler Handwerker, um möglichst viele partizipieren zu lassen und bei der regionalen Bevölkerung die Identifikation mit der Neuinterpretation des traditionsreichen Projekts zu ermöglichen.
Lägernhochwacht 2, 8158 Regensberg; Bauherrschaft: Sibylle Hauser, Niederweningen; Chronologie: Studienauftrag 2015, Planungsbeginn 2016, Bezug 2020; Fotograf: Georg Aerni, Michael Haug, Johannes Leibundgut