Seelenloser Apparat oder kongenialer Entwurfspartner?

Ausstellung zum Computer als Architekturmaschine

Wer beim Besuch der von Teresa Fankhänel kuratierten Ausstellung in erster Linie perfekte Bildwelten oder filmreife Animationen erwartet, mag zunächst enttäuscht sein. Die Ausstellung ist keineswegs auf leicht konsumierbare atmosphärische Bildwelten zu reduzieren.

Stattdessen wurde mit präzisem historischem Blick die junge Geschichte der Digitalisierung in der Architektur nachgezeichnet – die Ausstellung ist das Ergebnis einer zweijährigen Forschungsarbeit am Architekturmuseum der TU München. Die Frage lautet: Hat der Computer die Architektur verändert und wenn ja, wie?

Anhand von 40 ausgewählten Fallstudien mit über 250 Exponaten aus Europa, Asien und Nordamerika entwirft die Schau ein differenziertes Bild davon, auf welche Weise die digitale Revolution die Architektur und die Arbeitsweise im Architekturbüro beeinflusst und inwiefern Architekturschaffende diese Entwicklung aktiv mitgestalten.

Computer als Hoffnungsträger

Die Ausstellung trägt aber nicht nur die mit dem Computer produzierten Artefakte zusammen, sondern widmet sich auch der Metaebene. Ist der Computer lediglich seelenloser Apparat, mit dem sich repetitive Arbeitsschritte effektiver bewältigen lassen – reines Konstruktionstool, das seinem User ermöglicht, auch kniffligste Geometrien präzise umzusetzen – oder kann er mehr: quasi als Architekturmaschine die Rolle eines Entwurfspartners einnehmen? Macht er in der Zukunft die Architekturschaffenden gar überflüssig?

Die Ausstellung zeigt die Geschichte der Digitalisierung von den Anfängen in den 1950er und 1960er Jahren bis in die Gegenwart anhand von vier chronologisch und thematisch aufeinander bezogenen Erzählsträngen: dem Einsatz des Computers als Zeichenmaschine, als Entwurfswerkzeug, als Medium des Geschichtenerzählens und als interaktive Plattform der Kommunikation.

Zunächst werden die Besuchenden aber ganz an den Anfang zurückgeführt. Die Ausstellung empfängt einen mit sperrigen Rechenmaschinen, die einst ganze Räume ausgefüllt haben und mit denen erste Versuche unternommen wurden, um zweidimensionale Darstellungen auf Röhrenmonitoren wiederzugeben. Doch so simpel und antiquiert diese ersten Projekte heute anmuten, mit dem neuen Medium waren grosse Hoffnungen verknüpft.

Experimentelle Vorläufer

Eine bedeutende Vorreiterrolle spielt die «Architecture Machine Group», die auch als Namensgeber der Ausstellung fungiert. Sie wurde 1968 am MIT vom amerikanischen Informatiker Nicholas Negroponte mitbegründet. Als interdisziplinäres Experimentierlabor konzipiert, standen Projekte im Vordergrund, die versuchten, benutzerfreundliche Mensch-Maschinen-Interfaces zu generieren. Architekten sollten ermächtigt werden, auch ohne profunde Programmierkenntnisse mit den leistungsfähigen Maschinen zu interagieren, um sich deren gewaltiges Potential zu Nutze zu machen – und mehr noch: Computer sollten sich quasi als lernende Maschinen zu ebenbürtigen Partnern der schöpferischen Architektin entwickeln.

Doch gleichzeitig formierte sich Widerstand gegen solche Heilsversprechen. Louis Kahn hielt den Computer für eine Maschine, die nichts schaffen, nicht urteilen und nicht gestalten kann. Dies alles gehöre zum Verstand und dieser bleibe dem schöpferischen Geist vorbehalten.

Letztendlich verbirgt sich hinter diesen kontroversen Haltungen ein zentrales Thema: Das des Verhältnisses von Mensch und Maschine, das schon seit dem Beginn der Industrialisierung kontrovers diskutiert wird. Die Möglichkeit, der Mensch könne eines Tages ersetzt werden, war dabei stets inhärent – als Utopie oder Dystopie.

— Ulrike Wietzorrek

Die Architekturmaschine
bis 6. Juni 2021
Architekturmuseum der TU München
In der Pinakothek der Moderne, Barer Strasse 40, 80333 München
www.architekturmuseum.de
Di–So 10–18 Uhr, Do 10–20 Uhr
Aufgrund der aktuellen Lage müssen Tickets online gebucht werden

Katalog
Die Architekturmaschine
Teresa Fankhänel, Andres Lepik (Hg.) Birkhäuser Verlag, Basel
248 Seiten, 227 Abb.
28 × 21 cm, gebunden
CHF 52.– / EUR 40.–
ISBN 978-3-03562-155-6

Digitaler Ausstellungsrundgang

Zukunftsversprechen oder Schreckbild? Filmstil aus dem Video Hyper-Reality von 2016.
© Keiichi Matsuda
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