Beurteilt wird Architektur

Die Kaskadenhalle in der Zürcher Hochschule der Künste war am Dienstagabend Schauplatz einer glamourösen Preisverleihung. Der Kanton Zürich verlieh seinen Architekturpreis für die Periode 2016–19, und das Publikum fand sich in Strömen zu dem aufwändig inszenierten und von Eva Wannenmacher moderierten Abend.

Die Jury war für einmal in der Mehrheit weiblich (Sonja Hildebrand, Fabienne Hoelzel Jeannette Kuo, Anne-Marie Wagner, Francesco Buzzi und Matthias Wehrlin unter dem Vorsitz von David Vogt). Aus 93 Eingaben hatte sie die drei Besten auszuwählen, und zwar unter dem Motto «Kollaborativ?!». Ein anspruchsvolles Wort; es lässt an ungewöhnliche Formen der Zusammenarbeit denken, an partizipatives Planen und unerwartete, innovative Lösungen (drei solche wurden 2016 prämiert: Toni-Areal, Zwicky und Kalkbreite).

Das Motto hat, wie man unschwer heraushören konnte, die Juryarbeit nicht einfacher gemacht und viel Diskussionsstoff geliefert. Wie viel «Kollaboration» musste ein Projekt aufweisen, um preiswürdig zu sein? Durfte, sollte nicht vielmehr das architektonische Gewissen der Jury den Ausschlag geben?

Die Jury bedachte am Ende drei Projekte mit der Auszeichnung, bei denen die architektonische Sorgfalt und Virtuosität der Projekte mit gesellschaftlicher und städtebaulicher Relevanz einhergeht. Sie würdigte damit auch Bauherrschaften, die sich um Baukultur verdient gemacht haben und mit ihrem Bauvorhaben auch dem Standort einen Mehrwert verleihen. Bauherren zu ehren und andere zur Nachahmung einzuladen, ist ja durchaus ein Ziel grosser Architekturauszeichnungen.

Im Sinn des Mottos «Kollaborativ?!» prämierte die Jury aktuelle Formen des Zusammenlebens und Zusammenwirkens. Sehr bildhaft kommt das im Hagmannareal Winterthur zum Ausdruck (weberbrunner und Soppelsa Architekten), wo eine private Familie ihre Gewerbeliegenschaft achtsam um eine Wohnüberbauung ergänzte. Ihr weiter Hof ermöglicht Begegnungen und nachbarschaftlichen Austausch, und die Fassade aus Holz gibt dem neuen Ensemble einen angemessenen Ausdruck.

Das Haus Waldmeisterweg von Lütjens Padmanabhan zeigt, dass Dichte nicht auf Kosten der Qualität gehen muss, wenn die Voraussetzungen des Ortes zum Anlass für einen besonderen Entwurf genommen werden. Das Dreieck im Grundriss ist kein beliebiges Zitat der 1980er Jahre – es bewirkt ein nonchalantes räumliches Fliessen und lässt die im Quartier ungewohnte Dichte vergessen.

Im Schulhaus Halde in Glattbrugg schliesslich ist die spektakuläre, zentrale Treppenhalle ein eindrückliches Symbol der Gemeinschaft.

Die ganz grossen Projekte müssen sich dieses Jahr mit einer Anerkennung begnügen. Das gilt für das Areal Freilager in Zürich ebenso wie für den stark ausgebauten Bahnhof Oerlikon – trotz dem hohen Mass an Kollaboration, das gerade diese Projekte auszeichnet. Das hohe Niveau der Anerkennungen und Nominationen macht deutlich, wie viele herausragende Projekte im Kanton Zürich heute gebaut werden, nicht zuletzt dank einer breit verankerten Wettbewerbskultur. Die Jury hat sich trotz dem Ausschreibungsmotto getraut, ihrem Architekturgewissen zu folgen und sich vom Zauber der Bauten verführen zu lassen. Der schöne Katalog mit den Bildern von Andrea Helbling ist in der werk Edition erschienen und kann hier bestellt werden.

— Daniel Kurz

Architektur Preis Kanton Zürich 2019
104 Seiten, 6 Seiten Umschlag
Schweizerbroschur, 210 x 270 mm
ISBN 978-3-909145-18-8
CHF 25.00

© Katrin Zbinden
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