Schützender Beton für eine bessere Zukunft

Mexiko-Stadt hat unendlich viele Gesichter: Ruinen der einstigen Aztekensiedlung, unwiderstehlich charmante Quartiere mit grossen Baumalleen und Quartiere voller Kriminalität und Armut treffen aufeinander. Für das Projekt «Club de Niños y Niñas» suchten die Architekten von CCA bewusst nach einem Bauplatz in einem Problemquartier und wurden im Randbezirk der gigantischen Metropole in Ecatepec fündig. Aufgrund des rasanten und unkontrollierten Stadtwachstums entwickelte sich der Bezirk zu dem mit der höchsten Bevölkerungsdichte, Unsicherheit und Kriminalität in der Region.

Der «Club de Niños y Niñas» basiert auf dem erfolgreichen Konzept der amerikanischen Stiftung «Boys & Girls Club of America». Das Ziel des Clubs ist es, jungen Menschen zwischen 6 und 18 Jahren in Situationen sozialer Verwundbarkeit einen geschützten Rahmen zu bieten. Im Club erhalten die Kinder die Möglichkeit, nach der Schule ihre Interessen, Fähigkeiten und Talente zu erforschen sowie ein gesundes Umfeld aufzubauen.

Für den zehnten und bisher grössten Club in Mexiko wandte sich die Stiftung im Jahre 2015 an die Architekten von CCA. Von Anfang an war klar, dass die Rolle und die Verantwortung der Architekten hier weit über die traditionelle Aufgabe hinausgehen: Nachdem CCA einen Ort für den Club ermittelt hatte, an dem die Wirkung der Einrichtung besonders hoch sein dürfte, begann die Herausforderung, weitere Planer, Experten und Bauunternehmer davon zu überzeugen, unentgeltlich am Projekt zu arbeiten – wie die Architekten selbst. Mit der Motivation, jährlich 2000 Kindern eine bessere Chance im Leben zu geben, konnten zahlreiche Kräfte mobilisiert werden. Während der Bauphase wurde mit gemeinsamen Kochkursen, kostenlosen Gesundheitschecks und kollektivem Anstrich von 370 Nachbarhäuser das Vertrauen der Gemeinschaft zu den Architekten und der Stiftung aufgebaut. Dieses Vertrauen setzte den Grundstein für den Erfolg des Projekts und ist zugleich keine Selbstverständlichkeit in einem Land, in dem Betrug und Missbrauch an der Tagesordnung sind. Nach einem vierjährigen kräftezehrenden Projektablauf konnte der «Club de Niños y Niñas» im Jahre 2019 eröffnet werden.

Die Grösse des Projektes und die Masse an Beton lassen Erinnerungen an brutalistische Architektur aufkommen. Eine Assoziation, die nicht ganz kindgerecht erscheint. Doch dieser zeitgenössische Brutalismus ist kein gesuchter Ausdruck, sondern Zweck und Notwendigkeit. Mit bemerkenswerter Überzeugungskraft erreichten die Architekten eine Spende von 1'700 m3 Beton des Zementherstellers Cemex. So wird der Beton sichtbar zum Hauptmaterial des Clubs. Die Dimensionierung der Gebäude basiert auf einem modularen System, das sich aus der Grösse der Sperrholzschalung ableitet und den einzelnen Bauten eine Rhythmik verleiht.

Die campusähnliche Anlage ist um eine zentrale Arkade aus 24 ineinandergreifenden Rundbögen organisiert. Das verbindende Rückgrat stellt symbolisch die 24 Wirbel der menschlichen Wirbelsäule dar und soll die bessere Zukunft, die den Kindern bevorsteht, verkörpern. Von der Hauptachse aus erreichbar sind ein einstöckiges Bildungsgebäude, ein zweistöckiges Kunst- und Tanzzentrum mit aussenliegender Tribüne und eine Sporthalle sowie verschiedene Sport- und Freizeitbereiche im Freien. Ähnlich wie in der grau geprägten Nachbarschaft wirken bunte Fenster, Türen und Metallstrukturen wie erfrischende Farbtupfer. Die schutzbietenden Betonbauten entstanden in der typisch für CCA präzisen und lösungsorientierten Arbeits- und Entwurfsweise basierend auf Kollaboration. Soziale Verantwortung und der Wille, mit möglichst wenig, viel zu erreichen, liegt den Architekten am Herzen.

— Laure Nashed

Mehr von Laure Nashed und ihrer Erfahrung in Mexiko auf ihrem Blog «Learning from Mexico».

© Laure Nashed
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