Elemér Zalotay, Nonkonformist

In Ziegelried bei Schüpfen/BE, da steht am Rand der EFH-Zone eine schütteres Gehütt. Fast ganz eingewachsen von Stauden und Ranken scheint es Teil einer Natur zu sein, die es hier eigentlich nur noch in der Vorstellung gibt: Die Rede ist vom eigenen Wohnhaus von Zalotay Elemér, Architekt und Ingenieur, emigriert in die Schweiz aus Ungarn 1972. Eine prekäre Existenz.
Bei Franz Meister, Architekt in Bern, hat Zalotay gearbeitet, ganz bescheiden, nachdem er in seiner alten Heimat einige spektakuläre Bauten realisiert hatte: Das Gebäude für eine Baumschule in Sárvár und eine Bodenstation zur Sputnik-Beobachtung in Szombathely. Diese Bauten sollten erst nach seiner Flucht Anerkennung finden, und zwar durch einen gewissen Ákos Moravánszky, seinerzeit Redaktor unserer ungarischen Schwesterzeitschrift Magyar Épitőművészet.
In der Schweiz arbeitete Zalotay nicht lange regulär, viel lieber ging er seine eigenen Wege: Er ging Skifahren oder baute an seinem eigenen Haus. Dieses sei nur eine Art unzulänglicher Prototyp für ein noch viel grösseres Vorhaben, so verrät er im Gespräch. Anlässlich eines Besuchs in Ziegelried breitet der bald 84-jährige Pläne aus – oder genauer: Kopien von A4-Blättern, die über und über mit Skizzen gefüllt sind – für ein neuartiges Wohnhochhaus, das sicher einen Kilometer hoch werden und 20 000 Menschen beherbergen soll, bei gleichem Aufwand und vergleichbaren Kosten wie nötig für den Bau eines typischen 400-Meter-Wolkenkratzers …
In der kleinen Hütte in Ziegelried berühren sich Nonkonformismus, Genialität und Prekariat. Den eigens geschaffenen Prototypen bewohnt Zalotay nur noch in Miete, aus Gründen, die im Dunkeln bleiben. Sein ingenieursmässig erdachtes und vom Sockel bis zum Dach mit Zement, Steinen und Kupferblech überkrustetes Habitat ist der Inbegriff von Labilität im Gleichgewicht – Ausdruck einer getriebenen Existenz, die unentwegt schafft und noch im grössten Missstand gegen jede Konvention am Eigenen festhält. Zalotay könnte als der Prototyp eines Architekten der Moderne gelten: Nonkonformismus oder nicht konformes Denken sind tief in ihr Erbgut eingeschrieben – einhergehend allerdings mit dem Risiko der Marginalisierung oder des Vergessenwerdens.
Weitere Nonkonformisten stellen wir im aktuellen Heft vor.

— Tibor Joanelly
© Florian Bärtschiger
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