In der ÖV-Planung fehlen raumplanerische Ziele

Zur Metron-Tagung füllte sich am 24. Oktober der grosse Campus-Saal in Windisch fast auf den letzten Platz: Es ging um den «ÖV als Rückgrat der Siedlungsentwicklung» und die Frage, ob die Verkehrsinfrastruktur genügend auf die raumplanerischen Ziele abgestimmt wird. Die Schweiz investiert (pro Kopf der Bevölkerung) mehr in den öffentlichen Verkehr als alle fünf Nachbarländer zusammengenommen, doch Experten warnen: Es wird nur immer mehr vom Gleichen angeboten. «Die Infrastrukturplanung ist fahrplangetrieben», monierte Metron-Verkehrsplaner Marc Schneiter, «raumplanerische Überlegungen kommen kaum zum Tragen. Dem Knotensystem und dem Taktfahrplan wird alles andere untergeordnet». Die Radiallinien im Nahverkehr werden laufend ausgebaut, doch der Verkehr wächst anderswo: Als Tangentenverkehr in den Peripherien der Städte zum Beispiel. Hier könnten die Aufwertung von Vorortbahnhöfen und die Stärkung regionaler Zentren durch zusätzliche Fernverkehrshalte die Gewichte sehr wirksam verschieben, sagte auch Ueli Stückelberger vom Verband VÖV.
Paul Schneeberger, Fachjournalist bei der NZZ blies ins gleiche Horn: «Warum wird so wenig in Alternativen gedacht? Warum gibt es für die grossen Verkehrsinfrastrukturen zum Beispiel nicht Testplanungen?» Unabhängige Querdenker wären besser als Bahnen und Ämter in der Lage, völlig neue Ideen zu generieren. Das ist aktuell: 2019 beginnt die Planung für den nächsten Ausbauschritt von FABI bis 2040. Das heisst, jetzt ist der richtige Moment für alternative Ansätze!
Auf lokaler und regionaler Ebene funktioniert die Gesamtschau wesentlich besser als auf nationaler Ebene: Verdichtete Überbauungen entstehen meist an den Hauptlinien des Verkehrs, und die Bewilligung grösserer Bauprojekte macht etwa im Kanton Bern von genügender Erschliessung abhängig. Dort geht man noch weiter, wie der Raumplaner Matthias Fischer aufzeigte: Beim Bau neuer Tram- oder Buslinien setzen die Berner auf «Planung von Fassade zu Fassade» – das heisst: Die Linie wird nicht nur als Verkehrstrasse, sondern als Teil des öffentlichen Raums betrachtet. Eine neue Haltestelle zum Beispiel entfaltet ihre Wirkung nur, wenn sie auch bequem und sicher erreichbar ist.
Solche Planungen sind am erfolgversprechendsten, wenn die Betroffenen mitreden können und die Zielkonflikte offen auf den Tisch kommen. «Es gibt im Blick auf den Verkehr zwei diametral verschiedene Mentalitäten – beide müssen abgeholt und ernstgenommen werden, nur dann werden auch neue Ansätze möglich», folgerte Heidi Ammon, die Gemeindepräsidentin von Windisch.

— Daniel Kurz
© Sario Haladjian
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