werk, bauen + wohnen in Zeiten von Corona

Auch in ausserordentlichen Zeiten wie diesen wird gelesen, voraussichtlich vermehrt online. Diese Chance wollen wir hier nützen. Wie viele von Ihnen sind wir seit Anfang Woche im Homeoffice, betreuen daneben unsere Kinder und wollen trotzdem unsere Leserschaft mit guten Texten versorgen. Die Krise lehrt uns vieles, insbesondere, anpassungsfähig zu sein. Unsere Zeitschrift gehört vielleicht nicht zum Service public, trotzdem wird unsere Arbeit nicht hinfällig: Architektur hat einen grossen Einfluss auf die Gesellschaft und die Umwelt, ihre Ästhetik berührt, inspiriert, erfreut – und darüber wollen wir weiterschreiben, gerade in einer Ausnahmesituation wie dieser.

Das «werk» mit seinen 106 Jahren ist gar nicht so anfällig auf ein neuartiges Virus, es kann mit seiner Geschichte und seinem unübertroffenen Archiv gerade jetzt aus dem Vollen schöpfen. Wir wollen hier in den kommenden Wochen dieses Archiv zugänglich machen, einzelne Kritiken und Theorietexte neu veröffentlichen, denn auch für uns gilt: Aus weniger ist nun mehr zu machen.

Da unsere Planung langfristig ist und die Vorlaufzeit lang, wird der Corona-Knick in den gedruckten Heften noch eine Weile nicht zu spüren sein. Die nächsten Hefte werden allerdings dünner ausfallen, da die Museen geschlossen und alle Veranstaltungen abgesagt sind. Auch Neubauten können im Moment nur schwer besichtigt werden, und bei uns gibt es keine Architekturkritik vom Schreibtisch aus. Den neusten Coup von Rem Koolhaas in New York, seine Ausstellung Countryside, The Future im Guggenheim Museum hat Thomas Stadelmann für uns besichtigt. Seine Kritik wird im Heft 4–2020 erscheinen – auch wenn das Museum nun geschlossen hat. Viele Museen arbeiten nun daran, ihre Sammlungen virtuell zu zeigen, – einen Blick ins Guggenheim liefert vorläufig dieser Trailer. Das kleinformatige Textbuch Countryside, A Report, sei auch ohne Museumsbesuch lesenswert, befindet unser Autor. Man kann es sich nun getrost online bei der lokalen Buchhandlung bestellen und nach Hause liefern lassen.

Was Koolhaas nicht vorausgesehen hat, ist, dass nicht mehr mit der Landschaft Politik gemacht wird, wie er in der Rezension zitiert wird, sondern mit einem Virus. Grenzen werden geschlossen, weil die globalisierte Welt einen Erreger von einem Markt in Wuhan überallhin trägt. Dank Technologien, insbesondere solcher für die Kommunikation, bleiben wir alle miteinander verbunden, auch wenn wir uns nicht mehr persönlich treffen dürfen. Wie wird uns das zwangsverordnete Leben in virtuellen Räumen prägen? Wir sitzen Zuhause in einem Schwebezustand zwischen Misstrauen, Skepsis, Verunsicherung und Solidarität, Lust zum Neuanfang und Sorge um unsere Eltern und diejenigen, die im Moment keinen einzigen Franken verdienen können. Die Bautätigkeit ist ein verspätetes Abbild der Konjunktur, der Blick nach vorne dürfte für unsere Branche nicht nur positive Gefühle wecken. Auch werden sich unsere Städte, die schon jetzt stiller sind, offensichtlich verändern. Mit unguten Ahnungen denken wir an leere Erdgeschosse und verrammelte Schaufenster.

Trotzdem bringt diese Zeit auch Chancen mit sich: Jede und jeder kann sich ganz persönlich die Frage stellen, was für ihn oder sie wirklich zählt. Wir machen Erfahrungen der Stille, haben vielleicht auch Raum, um nahzudenken und das Nahe neu zu sehen. Diese Zeit wird uns prägen, und man wird sie der gebauten Umwelt ansehen. Darüber zu schreiben, darauf freuen wir uns.

Gute Gesundheit und Moral wünschen die Werk-Redaktion und der Verlag!

— Redaktion
© David Heald
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