Inventare unter Druck

Die Denkmäler des 20. Jahrhunderts waren am 16. September das Thema der diesjährigen Tagung in Luzern. Im Schweizerhof-Saal trafen über 60 Chefinnen und Chefs von Denkmal-, Hochbau- und Planungsämtern aus Städten und Kantonen auf Vertreterinnen und Vertreter des BSA Bund Schweizer Architekten. Als Moderator war wbw-Redaktor Roland Züger mit von der Partie.
Die gemalten Marmorimitationen im Saal des Hotels Schweizerhof in Luzern sind nur ein kleines Detail des prächtig sanierten Zeitzeugen aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Das anerkannte Baukulturjuwel lässt ahnen, dass die Unterschutzstellung von Bauten aus den 1960er und 1970er Jahren bei einem Grossteil der Bevölkerung nicht ganz so eingängig zu rechtfertigen sein wird. Allein die schiere Zahl der Bauwerke aus der Hochkonjunktur ist eine Herausforderung für die Inventarisierung junger Denkmäler. Unter dem politischen Willen der Innenverdichtung geht es derzeit vielen Inventaren an den Kragen. Allein der Kanton Bern will rund 11 000 Denkmäler aus dem Inventar entlassen. Die Inventare sind unter Druck, werden als Eingriff in die Eigentumsrechte empfunden und stünden der Innenverdichtung und den Energiezielen im Weg, so heisst es allenthalben.
In dieser Gemengelage sind gute Vorbilder gefragt: Die erfolgreiche Sanierungsstrategie der Grosssiedlung Le Lignon in Genf führt eindrücklich vor Augen, dass an der EPF Lausanne mit dem TSAM – Laboratoire des techniques et de la sauvegarde de l'architecture moderne – eine Institution am Werk ist, deren Expertisen sich erfreulich nahe an der Praxis orientieren. Die Dorfkernaktivierung im Bündner Valendas zeigt, wie sich mit einem starken Rückhalt in der Bevölkerung zukunftsfähige Nutzungen als Basis der Denkmalpflege in historischen Bauten realisieren lassen. Im Thurgau stehen Diskussionen um den städtebaulichen Wert von Ensembles an. Zahlreiche Objekte sind im Inventar in ihrer «Gesamtform erhaltenswert» eingestuft. Federführend soll es zukünftig das Hochbauamt übernehmen, eine Strategie für den Erhalt der überkommenen Strukturen zu finden. Die Denkmalpflege besinnt sich auf ihr Kerngeschäft, die im Inventar verzeichneten schützenswerten Bauten, und darüber hinaus vor allem eine Partnerin im Dialog für die Kommunen sein. Damit erhofft sich der Kanton Thurgau grössere Rechtssicherheit und eine Sensibilisierung beim Erhalt der Dorfkerne als räumliche Einheiten. Auch im Thurgau wird also der Städtebau wichtiger.

— Red.
© Alexa Bodammer
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