Joris Van Wezemael: Der neue Geschäftsführer SIA

Vergangene Woche wurde es offiziell: Joris Van Wezemael wird im Juli 2018 den Forstingenieur Hans-Georg Bächtold als Geschäftsführer des sia ablösen. Der promovierte Wirtschaftsgeograf und habilitierte Architektursoziologe Joris Van Wezemael hat eine erstaunliche Karriere hinter sich: Er leitete das Wohnforum ETH-Case und eine Stiftung zur Erforschung des Wettbewerbswesens, war kurze Zeit Professor für Wirtschaftsgeografie und Raumordnung in Fribourg und wirkt seit einigen Jahren als Portfolio-Manager bei der Pensimo Management AG sowie als ETH-Privatdozent. Überall hat er mit eigenständigen Ideen und Initiativen bleibende Spuren hinterlassen. «Das Amt des sia-Geschäftsführers gibt mir die Chance, all meine Interessen und Leidenschaften zusammenzubringen», sagt er im Gespräch mit werk, bauen + wohnen.
Als grosse Herausforderung der kommenden Jahre sieht er den Einsatz für die Qualität und Zukunftsfähigkeit des schweizerischen Wettbewerbs- und Vergabewesens.
Joris Van Wezemael plädiert dafür, den Kampf um die Qualität von Verfahren aus den Perspektiven der Praxis frühzeitig und politisch aufzunehmen: «Wer erinnert sich noch an den Namen jenes Schweizer Diplomaten, der vor zwanzig Jahren in Bologna einen Vertrag über das Bildungswesen unterschrieben hat? Niemand. Die Einführung des Bologna-Systems, welches seither das gesamte Hochschulwesen umgekrempelt hat, ging damals fast lautlos über die Bühne, die politische Debatte blieb aus – bzw. sie kam viel zu spät.»
Das Gleiche, betont Van Wezemael, darf im Wettbewerbs- und Vergabewesen nicht passieren! «Wir – die Planenden, Architekten und Ingenieure – müssen in Zukunft noch strategischer agieren und politisch präsent sein! Wir dürfen die Entwicklung der Freihandelsverträge, die das Wettbewerbs- und Vergabewesen beeinflussen, nicht der Politik und auch nicht den Ökonomen und Juristen alleine überlassen, sonst könnte über Nacht die Qualitätsorientierung in Aushandlungsprozessen geopfert werden. Dafür können nur die Planenden und ihre Verbände sorgen.»
GATT-/WTO hat vor zwanzig Jahren das Schweizer Wettbewerbswesen beflügelt, aber es wäre gefährlich, sich auf diesem Erfolg auszuruhen. «In einigen europäischen Ländern, wie etwa den Niederlanden, hat eine orthodoxe Interpretation der WTO-Verträge das Wettbewerbswesen einseitig in Richtung eines experten- statt jurybasierten Vergabesystems entwickelt: statt Qualität werden Preisangebote beurteilt, und das Ziel im Verfahren klüger zu werden gerät ins Hintertreffen.» Van Wezemael redet damit aber nicht einer Abschottungspolitik das Wort – im Gegenteil: «Es geht nicht ums Einfrieren des Erreichten, sondern um ein selbstbewusstes Vorwärtsgehen, Vorausdenken und Weiterentwickeln der Instrumente und Verfahren. Das ist die Aufgabe der Verbände.»
Architektinnen und Architekten klagen allenthalben über die stetig wachsende Normierung und Regulierung des Bauens: Aber verursachen sie diese nicht selbst durch ihren Verband, den sia? Ist da Abhilfe in Sicht?
«Es ist eine Schweizer Spezialität, dass nicht der Staat, sondern ein Verband verbindliche Normen aufstellt. Das bietet Gewähr für Praxisnähe und Qualität. Es ist ja nicht so, dass in anderen Ländern die Regulierung weniger dicht wäre. Vielmehr schaut Europa mit Interesse auf die Schweiz: nicht wegen der Dichte, sondern wegen der Qualität unserer Normen. Da können wir auch in Zukunft einen wertvollen Beitrag zur europäischen Entwicklung und damit mittelfristig auch zur Entwicklung in der Schweiz leisten.»

— Daniel Kurz
© zVg
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