Den Landschaftsfrass stoppen

Trotz Raumplanungsgesetz und Zweitwohnungsartikel und trotz dem klaren, in zahlreichen Abstimmungen ausgedrückten Willen des Stimmvolks: Intakte Landschaft wird zu einer immer ferneren Sehnsucht – die Bautätigkeit findet immer öfter ausserhalb der Bauzonen statt. Dank klaffender Lücken, die das Parlament in die Gesetze eingeschmuggelt hat.

Im kommenden Frühjahr steht im Parlament die Beratung des RPG 2 zum Bauen ausserhalb der Bauzone an. Um Interessenvertretern und Lobbypolitikern dannzumal das Schmuggeln zu erschweren, haben die Schweizer Umweltverbände im März 2019 ein Initiativen-Doppel lanciert: die Biodiversitäts- und die Landschaftsinitiative. Unter den Initianten ist der Schweizer Heimatschutz, der BSA Bund Schweizer Architekten hat die Unterstützung beider Anliegen beschlossen. Die Unterschriftensammlung steht gegenwärtig in der entscheidenden Phase.

Eines der Grundprinzipien der Schweizer Raumplanung ist die klare Trennung von Bau- und Nichtbaugebieten. Trotzdem nimmt seit 1985 die Zahl der Gebäude ausserhalb der Siedlungen ständig zu, überall wachsen Industrie-, Tourismus- und Gewerbebauten ebenso wie landwirtschaftliche Ökonomiebauten auf der grünen Wiese – und am meisten wächst die Fläche für den Verkehr. «Die Siedlungsfläche ausserhalb der Bauzonen», rechnen die Initianten vor, «ist zwischen 1985 und 2009 insgesamt um über 18‘600 ha gewachsen. Das ist mehr als die Fläche der Städte Zürich, Genf, Basel und Bern zusammen.» Die Landschaft wird bis in die entlegensten Gebiete immer mehr zerstückelt, Lebensräume für Mensch und Tier entwertet, Landschaftsbilder banalisiert.

Die Landschaftsinitiative will die Trennung von Bauzone und freier Landschaft wieder stärken und dem Bauen auf grünen Wiese einen Riegel schieben – so wie es die Schweizer Stimmbevölkerung immer wieder verlangt hat.

Der Initiativtext verleiht dem Landschaftsschutz Zähne und bringt klare Einschränkungen für das Bauen ausserhalb der Bauzonen. Für leer stehende Ställe oder Rustici ausserhalb der Bauzone ist jede Umnutzung verboten, zu gewerblichen ebenso wie zu Wohnzwecken. Es ist besser, die alten Ställe und Stadel allmählich zerfallen lassen, heisst das, als sie mit Dämmung, Verglasung, Kanalisation, Zufahrt und Parkplatz aufzurüsten: «Botoxen» nennen Architekten in der Surselva solches bauliches Aufplustern einfacher Zweckbauten, mit dem der Zweitwohnungsstopp immer öfter umgangen wird.

Die Biodiversitäts-Initiative fordert zwei Dinge: einerseits will sie mehr personelle und finanzielle Mittel für den Artenschutz, zweitens hält sie fest, dass erhebliche Eingriffe in Schutzobjekte des Bundes nur im überwiegenden nationalen, nicht aber im kantonalen Interesse erlaubt sind. Diesen eigentlich etablierten Grundsatz droht ein Parlamentsbeschluss (Motion Eder, FDP) zu unterlaufen. Die Biodiversitätsinitiative mag weniger konkret erscheinen als ihr Zwilling, sie ist aber in der Sache umso dringender: Die Artenvielfalt – vor allem an Insekten und Vögeln – ist in der Schweiz akut bedroht, viel mehr als in den europäischen Nachbarländern. Und das Schlimmste: Das Artensterben hat sich in den letzten 20 Jahren stark beschleunigt, Massnahmen sind also dringend. Der erste Schritt dazu heisst: Beide Initiativen unterschreiben!

— Daniel Kurz
© Daniel Kurz
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