Die kabellose Liftrevolution von Rottweil

Das schwäbische Rottweil war immer schon eine «Stadt der Türme». Bisher alter Türme – doch neuerdings besitzt die Stadt, im Blickfeld des intakten Stadtkerns, einen Turm moderner Superlative, entworfen von Werner Sobek und Helmut Jahn: Seine Aussichtsplattform dicht unter der Spitze ist die höchste in Deutschland; die 246 Meter hohe Stahlbetonröhre hat in ihrer oberen Hälfte eine Wandstärke von nur 25 Zentimetern. Die textile Umhüllung der Röhre aus Karbonfasern besitzt ihrerseits Rekordmasse; ästhetisch verwandelt sie den Betonstift in Architektur, thermisch schützt sie ihn vor zu viel Sonneneinstrahlung; die Profilierung des Turms als «Scruton-Wendel» mindert die Windlasten, die ihn in Schwingungen versetzen.
Im Inneren flitzen superschnelle Aufzugskabinen ohne Seile auf und ab. Der Bauherr, die Firma Thyssenkrupp Elevator, macht sich an die Neuerfindung vertikaler Mobilität. Getestet wird in Rottweil eine neue Generation von Aufzügen, deren Technik einst den Schienenverkehr revolutionieren wollte: Die «Magnetschwebebahn» floppte in Mitteleuropa, kam dann aber in China zum Einsatz. Künftig werden Linearmotoren sich in der Vertikalen nützlich machen – und den Hochhausbau sinnstiftend beflügeln.
Denn Hochhäuser waren bisher unter wirtschaftlichen Aspekten der Inbegriff architektonischer Hochstapelei: je höher die Wolkenkratzer, desto mehr Aufzüge sind vonnöten. Umso grotesker wird schliesslich – mit konventionellen Aufzügen – das Missverhältnis von Nutzfläche und Erschliessungsaufwand.
Damit könnte bald Schluss sein: Wenn etwa ganze Konvois individuell steuerbarer Kabinen Menschen und Nutzlasten auf vertikalen Schienennetzen nach oben und unten – oder auch seitlich sich verzweigend, zum Beispiel in Nachbargebäude – transportieren. Die vertikale Stadt, einst Fiebertraum an der Schwelle zur Science Fiction, gewinnt an Konturen.

— Christian Marquart
© Thyssenkrupp Elevators
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