Schlagrahm

Das Museum Z33 von Francesca Torzo streicht Preise ein

Wenn Architekten und Architektinnen Meisterköche sind, so dürften Kritiker und Kritikerinnen wohl als ihre Pâtissiers bezeichnet werden. Nicht selten in derselben «Küche» tätig, sorgen sie für den gelungenen Abgang eines schmackhaften Mehrgängers, verzieren das Handfeste der Architektur sozusagen mit ihrem Schlagrahm.

So verhielt es sich auch mit dem Museum Z33 im belgischen Hasselt von Francesca Torzo, über das wir in der Septemberausgabe 2019 berichtet haben. Nachdem vor kurzem die Architectural Review die Erweiterung von Torzo zur «aufstrebenden Architektur des Jahres 2020» gekürt hat, verziert sie nun auch das Museum MAXXI in Rom mit dem Prädikat «bester Bau der letzten drei Jahre».

Da gratulieren wir herzlich Architektin wie Bauherrschaft. Als Kritiker hat der hier Schreibende die Architektin Torzo während eines ganzen Tages durch die Baustelle begleiten dürfen. Zum Dessert gab es dann ein Gespräch über Architektur im Allgemeinen und den Bau im Besonderen. So besehen sind Kritiker mehr noch als Pâtissiers diejenigen, die «exklusiv» den Schlagrahm wegschlecken. Das Problem dabei ist: Satt wird man nicht.

Darüber, dass die Kritik zu jedem Diner dazugehört, besteht wohl Einigkeit. Dass gute Kritik – ob unabhängig oder eingebettet – auch etwas kostet, merkt man vielleicht erst, wenn es sie nicht mehr gibt. Gerade die Häufung von Architekturpreisen zeigt, wie sehr die Architekturkritik von wirtschaftlichem Druck und vom Kampf um Aufmerksamkeit bedroht ist. Preise und Kritik bilden heute allerdings ein Ökosystem, nicht unähnlich demjenigen der gehobenen Gastronomie. In diesem Sinn sehen auch wir uns ausgezeichnet – im Fall des Z33 gleich dreimal: als Lieferanten, Gourmets und Pâtissiers.

— Tibor Joanelly
© Gion von Albertini
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