Pavillon-Schweiz?

Die besten Bauwerke des 21. Jahrhunderts heisst im Untertitel der neue Architekturführer Schweiz aus dem Hause Callwey, dem der sia sein Gütesiegel aufdrucken liess. Auf 280 Seiten präsentiert er dasjenige an Architektur, was seine Redaktoren um den Lifestyle- und Kultur-Journalisten Alexander Hosch nach «internationalem Massstab massgeblich» und implizit als zukunftsfähig erachtet haben – eine nicht unbescheidene Auswahl. «Darf man die Schweiz einfach so von aussen beurteilen?», fragt Hosch im Intro rhetorisch, um die Frage gleich selber mit «Aber ja» zu beantworten, denn: «Von aussen sieht man manches besser». Dem ist natürlich uneingeschränkt zuzustimmen, auch wenn der deutsche Blick auf die Schweizer Architekturproduktion vielleicht doch stark durch Wunschbilder geprägt ist. Schlägt man das Buch auf, so begegnen einem im Umschlag dann sogleich Eiger Mönch und Jungfrau, und der Zürcher werk-Redaktor fragt sich, was diese mit Wallisellen (gezeigt: das Gebäude der Allianz Schweiz von Wiel Arets, freilich ohne den Kontext des Richti-Areals) oder Yverdon-les-Bains (Neun Pavillons im Parc des Rives von localarchitecture) zu tun haben mögen. Überhaupt die Auswahl. Sie enthält neben Klassikern (auch aus dem späten 20. Jahrhundert) erfreulich viele wenig bekannte Objekte und Namen. Aufallend jedoch: Die Wohnarchitektur, eine besondere Stärke der Schweiz, blieb ausgeschlossen, Schul- oder Hochschulbauten finden sich nur vereinzelt. Dafür sind zahllose Pavillons und Kleinbauten aus allen Landesteilen vorgestellt. Die kleine Schweiz zeigt sich von der niedlichen Seite.

Von ein paar aktuellen Perlen und den hinlänglich bekannten ikonischen Ausnahmen der 1990er Jahre abgesehen, präsentiert sich die Schweizer Architektur formal grundsolide und von Osten gegen Westen (oder von Süden gegen Norden) zunehmend innovativ bis verspielt. Nichts Neues also. Dafür aber durchaus brauchbar. 

— Tibor Joanelly
© Caspar Schärer
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