Ricci e Ricchi

Falls Sie vor Ende Mai eine Reise nach Florenz planen: Lassen Sie sich die erste grosse Ausstellung über den Architekten Leonardo Ricci nicht entgehen. Ricci ist einer der Unbekannten der italienischen Architektur des 20. Jahrhunderts und erst noch zu entdecken – weit ab vom Rationalismus und seinem Gegenteil, dem Kontextualismus. Nein, keine Synthese: Ricci verfolgte einen sehr eigenständigen Weg, dessen bekannteste Marken etwa auf der Insel Elba zu finden sind. Französisch-Schweizerischer Abstammung und Schüler von Giovanni Michelucci, gehört Ricci mit Leonardo Savioli, Edoardo Detti und Giuseppe Giorgio Gori zu jener «Florentiner» oder «toskanischen Schule», die sich nach dem Zweiten Weltkrieg für eine eigenständige Rekonstruktion der Stadt einsetzte und mit freier Form den Dialog mit Bestand und Natur suchte. Riccis Projekte sind nun zusammen mit Teilen seines malerischen Schaffens bis zum 26. Mai im ehemaligen Refektorium von Santa Maria Novella in Florenz ausgestellt.

Sollten Sie auf dem Weg nach Florenz auch in Mailand Halt machen, so würde sich neben einem Besuch der Triennale auch wie gewohnt das Abklappern bekannter Mailänder Wohnbauten der Nachkriegszeit lohnen, denn zu ihrem vertieften Studium ist 2017 ein Katalog erschienen, dessen zugehörige Ausstellung nun von Mailand nach Lugano umgezogen ist und im i2a in Lugano bis zum 10. Mai zu besichtigen ist. Also: Noch einen Halt in Lugano einplanen! Denn Case milanesi 1923 – 1973 ist eine kleine aber feine Schau, die in zwei Teilen die grossbürgerliche Wohnkultur in der Industriehochburg Italiens zeigt. In der Orangerie der Villa Saroli stehen die im Buch enthaltenen Grundrisse und Fassadenpläne zum Vergleich Spalier – letztere, von Orsina Simona Perini und Alessandro Isastia im Massstab 1:50 gezeichnet, sind alleine schon wegen des verführerischen Drucks auf Aluminium sehenswert. In der Villa selbst sind bildlich die Protagonisten hinter den Bauten vorgestellt. Sehr aufschlussreich ist eine chronologische Sammlung von Bildern zur Mailänder Wohnkultur, die im Buch selber fehlt.

Wenn die Ausstellung in Lugano sehr schön demonstriert, wie Architekten von Giovanni Muzio bis Vico Magistretti das Wohnen und den städtischen Raum zu einem einzigen Topos verschmolzen haben, so findet sich eine weitere stilprägende Synthese mit der Architektur von Ricci und ihrem Bezug zur Landschaft. Ab in den Süden!

— Tibor Joanelly
© Ricardo Scofidio
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