Schlosstüren zu

Der Bauboom in Berlin saugt alle Kapazitäten auf. Wir haben im Interview mit der Senatsbaudirektorin Regula Lüscher im Heft «Berlin im Boom» darüber berichtet. Deshalb verzögert sich die Fertigstellung des Berliner Stadtschlosses. So müssen sich die Neugierigen gedulden: Schlossspaziergänge, wie sie unser Autor Jürgen Tietz mit dem Architekten Franco Stella im Heft gemacht hat, sind erst ab 2020 möglich. Was einst für das Humboldt-Jahr, konkret für November 2019 angekündigt war, hat man nun verschoben. Ende Juni hat der Stiftungsrat der Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss entschieden, das Haus etappenweise ab September 2020 zu eröffnen. Den Anfang machen die Sonderausstellungen, weitere Bereiche folgen.

Zu hoffen ist, dass die Hofdurchgänge dann den Besucherinnen und Besuchern offenstehen. Das Erlebnis der Raumfolge der unterschiedlichen Höfe ist das grösste Versprechen des Grossbaus auf der Berliner Museumsinsel. Bis dahin lohnt natürlich eine gewissenhafte Vorbereitungslektüre zu den anderen Beiträgen im Heft: Alle dort porträtierten Neubauten sind in Fussdistanz im Berliner Zentrum zu erreichen.

Angefangen am Hauptbahnhof, am sogenannten Futurium, dem Museum der Zukunft von Richter Musikowski Architekten. Das öffnet am 5. September 2019 seine Türen für die Bevölkerung. Wer keine Lust auf ein Museum verspürt, ist vielleicht mit Stadtentwicklungsthemen besser bedient: Beispielsweise zu einem neuen Konzept der Stadtentwicklung, das auf einer veränderten Vergabepolitik der landeseigenen Grundstücke Berlins beruht. Dabei werden die Grundstücke nicht mehr dem Meistbietenden sondern für die beste Konzeptidee hergegeben. Das trägt nun die ersten Früchte, zum Beispiel in Form des «integrativen Bauprojekts» neben dem Jüdischen Museum. Das grosse Haus, ersonnen von den beiden Architekturbüros ifau und Heide & von Beckerath, beinhaltet eine dichte Packung von Wohnen und Arbeiten rund um eine 54 Meter lange Rue intérieure. In Steinwurfweite davon trifft man auf Schweizer Architekturschaffen: Das Büro E2A hat das neue Redaktionsgebäude der linken Zeitung TAZ gestaltet. Unsere Autorin Doris Kleilein stellt der Redaktionsmaschine ein gutes Zeugnis aus. Am besten aber überzeugt man sich selber von den Qualitäten und lässt sich zur Stärkung im dortigen Restaurant des Hauses nieder, etwa nach dem Schlossspaziergang. Und führt sich dann das Interview mit Regula Lüscher zu Gemüte. Denn sie berichtet neben den Schwierigkeiten des Booms auch von politischen Ideen zur Verstaatlichung der Wohnungsbestände. Wer nach Lektüre und Espresso wieder bei Kräften ist, mag die nächsten Stationen auf dem digitalen Reiseführer für die deutsche Hauptstadt ins Auge fassen. Berlin ist jederzeit eine Reise wert.

— Roland Züger
© Luca Girardini
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