Schrittweise Planen im Zürcher Hochschulquartier

Der Masterplan für das Hochschulquartier sorgt für Unruhe und beschäftigt die betroffene Bevölkerung ebenso wie Planende, Kantonsrätinnen und Kantonsräte: Die Studien von bewährten Städtebauern wie Gigon-Guyer oder Diener & Diener haben gezeigt, dass die von Spital und Universität geforderte Baumasse im Hochschulquartier nicht befriedigend untergebracht werden kann. Stadtsilhouette und öffentlicher Raum kommen unter Druck. Selbst das stolze Schwesternhochhaus von Jakob Zweifel scheint im Baumassenmeer zu versinken.

Dabei hat der Kanton vieles richtig gemacht: Er hat sich für den anspruchsvollen innerstädtischen Standort entschieden, hat eine Langfriststrategie erarbeitet und in mehreren Runden Testläufe durchgeführt. Allerdings muss er sich den Vorwurf gefallen lassen, die Fragestellung nicht offen genug angegangen zu sein und nicht alle Anspruchsgruppen mitwirken zu lassen. Ein derart grosses Vorhaben autonom und ohne Anhörung der betroffenen Stimmbevölkerung umsetzen, widerspricht unserem direktdemokratischen Empfinden.

Kritiker wie Promotoren gehen gleichermassen von Grundlagenirrtümern aus: Der genaue Bedarf ist über so lange Zeit weder im sich rasant verändernden Gesundheitswesen noch im Universitätsbereich prognostizierbar; die Finanzsituation ist bekanntermassen volatil. Es gibt keinen Grund, den heute formulierten Raumbedarf unhinterfragt über alles zu stellen, zumal der Kanton aufgrund seiner Sparziele bereits jetzt schon signalisiert hat, dass es auch mit Weniger gehen muss.

Die Architekturschaffenden monieren ihrerseits die fehlende städtebauliche Vision. Auch hier sei eine kritische Reflexion erlaubt: Wo wurde in der Schweiz im dicht bebauten Gebiet je ein städtebaulicher Wurf mehr als nur zu einem kleinen Teil umgesetzt? Zwischen überzogenen Perspektiven droht die Diskussion um die realen Zwischenstände von der Agenda zu verschwinden. Nicht zuletzt dürfen sich Heimatschützende nur vordergründig freuen: Wohl scheint das Schlüsselwerk von Häfeli Moser Steiger gerettet, doch der Park ist mit dem kommenden Modulbau-Providurium auf wohl unbestimmte Zeit verloren, und die Chance auf ein baukulturell relevantes Quartier wurde für eine Denkmal-Kulisse vorschnell preisgegeben. Der Heimatschutz hält noch das Anatomiegebäude als Pfand in der Hand.

Zuallererst muss der Kanton die Komplexität der gewählten Aufgabe bejahen und alle Anspruchsgruppen ergebnisoffen an einen runden Tisch bitten. Nur so kann er das Vertrauen für sein Vorhaben gewinnen. Raumprogramm, Mobilität und Erschliessung, Baufelder, Provisorien, Freiraumquote und Schutzobjekte müssen auf der Zeitachse diskutierbar sein und Zug um Zug justiert werden. Dieser Prozess ist sorgfältig zu gestalten und breit abzustützen. Eine unabhängige Moderation wäre ein entscheidendes Signal. Die Rahmenbedingungen für den ersten Wettbewerb sind so auszuhandeln, dass nachweislich nicht ein Volumen entsteht, das nur die momentane Betriebsvorstellung abbildet, sondern ein mit dem Kontext in Wechselwirkung tretendes Stück Stadt und ein erster Baustein für ein Quartier von Weltklasse.

Darüberhinaus könnten alle folgenden Wettbewerbe jeweils den gleichen Ideenperimeter über das ganze Areal wiederholen, um so den Masterplan mit jedem Akt zu schärfen und neue Erkenntnisse einfliessen zu lassen. Die damit verbundene Information der Bevölkerung in Echtzeit ist unabdingbar. Ein Beirat könnte das sich entwickelnde Quartier periodisch auf den Prüfstand nehmen und der positiven öffentlichen Meinungsentwicklung zutragen. Entscheidend ist, dass dabei während zwanzig Jahren eine begeisternd einfach zu erzählende Geschichte entsteht.

— Michael Hauser
© Baudirektion Kanton Zürich
Anzeige