Selfie für die Schweiz: «Svizzera 240: House Tour»

Nein, ich hätte nicht gedacht, dass der Schweizer Pavillon mit dem Goldenen Löwen ausgezeichnet wird. Auch wenn ich von der Rauminstallation des jungen Teams um Alessandro Bosshard, Li Tavor, Matthew van der Ploeg und Ani Vihervaara sehr angetan war, so schien sie mir nicht viel mehr als der gute Hintergrund für ein Instagram-Foto.

Warum? Die Installation mit hierzulande typischen Türen, Fenstern und Küchen in verschiedenen Massstäben hinterlässt bei den Besuchern zwar ein leichtes Schwindelgefühl und sie zaubert ihnen ein Schmunzeln aufs Gesicht. Aber mit dem Eintauchen in diese Welt erschöpft sich der Beitrag. Denn die alleine durch die Themenwahl geäusserte Kritik an den Realitäten unserer Hochkonjunkturbauten macht nicht die inhaltliche Auseinandersetzung aus, die ich mir erhofft hätte – die Beschäftigung etwa mit den Hintergründen gesellschaftlicher und technischer Normen, mit Qualität und Offenheit der Architektur. Ist denn im Land von Kalkbreite, codha und Hunziker-Areal keine Gegenwelt zum Markt entstanden?

Die Gründe für die meiner Meinung nach undifferenzierte Aussage von Svizzera 240: House Tour sind vor allem in der Strategie ihrer Präsentation zu suchen. Denn die Installation im Schweizer Pavillon kommuniziert die Macht der Architektur raffiniert und erfolgreich mit den Mitteln der Kunst. Ähnlich operierte Christian Kerez’ Incidental Space vor zwei Jahren: Der konzeptionell auf eine enge und zugleich interpretationsoffene Bedeutung reduzierte Raum fordert zwar appellativ zur Diskussion auf, doch diese wird weder vermittelt noch moderiert. Die Installation liefert keine Erläuterungen, Hintergründe, keine Grundlagen. Man bleibt auf sein eigenes Empfinden zurückgeworfen oder auf den Katalog verwiesen – und diesen werden sich wohl die wenigsten zu Gemüte führen.

Trotzdem: Der venezianische Löwe beweist, dass sich Mut und Engagement zum offenen Ideenwettbewerb sowie die Abkehr von den Direktaufträgen an die Stars gelohnt haben. Gewürdigt hat werk, bauen + wohnen das Verfahren schon bei der Entscheidung zum Wettbewerb in Heft 10–2017. Nun bleibt zu hoffen, dass auch nach den Wechseln in der Jury die Pro Helvetia hinter dem Wettbewerbsverfahren stehen wird.

— Tibor Joanelly

Einen ausführlichen Bericht zu anderen Länderpavillons, die Ausstellungen im Arsenale und im Zentralpavillon lesen Sie in Heft 7/8–2018 «Klimawandel».

© KEYSTONE – Christian Beutler
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