Slowly cooked architecture

Zweifellos war er einer der spannendsten Beiträge der Architekturbiennale 2018 und deshalb als Kronzeuge im Klimawandelheft (wbw 7/8–2018) vertreten. Dabei war die gesamte Anlage nicht einmal ganz fertiggestellt. Bildern und Erzählungen des Lausanner Fotografen Ariel Huber ist es zu verdanken, dass Interessierte aus entfernten Gegenden gewissermassen zu Zaungästen des Projekts wurden. Kurz darauf lotste die ETH Lausanne einen indischen Container voller Ausstellungsexponate in die Romandie und nun ist sein Inhalt in Antwerpen zu sehen. Die Rede ist von der Avasara Academy im indischen Dorf Lavale, einer privaten Mädchenschule, die das junge Büro Case Design entworfen hat.

Wer die Ausstellungen in Venedig und Lausanne verpasst hat, bekommt nun in Antwerpen eine Chance, die Arbeit des indischen Büros des Amerikaners Sam Barclay kennenzulernen. Im VAI, dem Architekturinstitut Flandern, sind Case Design bis zum 19. Januar 2020 zu Gast. Ihr Projekt wird in dort unter dem Motto The Craft of Collaboration präsentiert. Der kurze Film, der zur Schau produziert worden ist, gibt Einblick in die Arbeitsprozesse des Büros.

Dabei stellen sie nicht die Architektur als Objekt und ihre formale Potenz als Entwerfende, sondern den Raum als Sozialraum und seine Genese im interdisziplinären Team in den Vordergrund. Das ist ungewöhnlich für ein Architekturbüro und zugleich bezeichnend für die Arbeit von Case Design. Für sie ist das Teilen von Ideen und die breite Partizipation am Entwurf zentral, aber ohne den Sinn für die Kraft der Gestaltung aus den Augen zu verlieren. So findet in ihrer Arbeit spielend eine Farbgestaltung der dänischen Künstlerin Marlene Bach, Möbel und Türgriffe von den Brüdern Suthar, die auch schon für das Studio Mumbai gearbeitet haben oder Fenster aus Abbruchhäusern zusammen, als wäre es das Normalste der Welt. Hierzu ist freilich ein langsames Wachstum eines Baus wie des Schulcampus’ nötig, was Sam Barclay treffend als «Slow Cooking» bezeichnet.

Die erfrischende Schau in Antwerpen zeigt neben den neuesten Fotos von Ariel Huber vom aktuellen Zustand der Mädchenschule auch eine Handvoll neuerer Projekte, wie ein Innenausbau in Mumbai, ein Hotelresort in Sansibar, ein Bauernhof im indischen Kamshet sowie eine Fussballakademie in Goa. Zudem wurden ähnlich wie in Lausanne Bauteile für die Schau entwickelt, die dann bei der Mädchenschule eingebaut werden. In Antwerpen entstanden so in Zusammenarbeit mit den lehmerprobten BC Architekten Stampflehm-Elemente, die künftig bei einem Nebengebäude auf dem indischen Campus Verwendung finden. Eine Reise nach Antwerpen lohnt sich derzeit einmal mehr.

— Roland Züger

Auch über Antwerpen ist bei werk, bauen + wohnen ein Heft erschienen. Hier erfahren Sie mehr dazu.

© Ariel Huber
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