Wie hältst Du es mit der Zersiedelung?

Seit 2014 postuliert das revidierte Raumplanungsgesetz den Grundsatz der Siedlungsentwicklung nach innen. Er wird seither von der Raumentwicklung in den Kantonen und Gemeinden sehr viel ernster genommen – doch im realen Alltag ist davon noch wenig zu spüren. Zwar wird in den Zentren verdichtet gebaut, doch der Urban Sprawl ergiesst sich weiterhin scheinbar ungehindert über Täler und Landschaften; Einfamilienhäuser sind nach wie vor der häufigste Gebäudetyp, und neue Wohnüberbauungen entstehen vorzugsweise auf günstig verfügbarem Bauland weitab von Zentren und öffentlichem Verkehr.

Diese Entwicklung will nun die Zersiedelungsinitiative der Jungen Grünen stoppen. Am 10. Februar 2019 stimmen wir darüber ab. Die Initiative will die bestehenden Bauzonen einfrieren und Neueinzonungen nur noch im Tausch gegen Auszonungen an anderer Stelle erlauben: Das Kulturland soll damit den absoluten Schutz erhalten, den der Wald in der Schweiz schon seit über hundert Jahren geniesst. Das Bauen ausserhalb der Bauzonen beschränkt die Initiative auf standortgebundene Nutzungen. Und nicht zuletzt will sie dichte, qualitätvolle Quartiere fördern.

Das Anliegen der Initiative ist sympathisch und sinnvoll. Es entspricht dem, was Architektinnen, Raumplaner und Landschaftsschützerinnen – und auch die Redaktion von wbw – seit Jahren wünschen und fordern. Wer die Zersiedelung bremsen will, muss ihr klare Grenzen setzen.

Trotzdem hält sich der Support für die Initiative in Grenzen. Bundesrat und Parlament lehnen sie mit grosser Mehrheit ab – auch viele linke und grüne Ratsmitglieder unterstützten die Initiative nicht. Auf dem Internet sind bislang nur die (erwartungsgemäss) ablehnenden Parolen von Hauseigentümern und Baumeistern sowie einzelnen bürgerlichen Parteien zu finden. Seltsam still verhalten sich bislang die Fachverbände: Weder vom SIA oder BSA noch vom Raumplanerverband FSU oder Espace Suisse (ehemals VLP-ASPAN) liegen offizielle Stellungnahmen vor. Von den grossen Umweltorganisationen figuriert nur Pro Natura in der Allianz für die Initiative.

Das Abseitsstehen der Fachleute hat durchaus inhaltliche Gründe, wie auf Nachfrage zu vernehmen ist. Die Formulierung des vorgeschlagenen Verfassungstextes erscheint vielen als zu starr. Das generelle Einfrieren der Bauzonen mag in Randlagen sinnvoll sein, im Bereich der Zentren macht es wenig Sinn, und ein Abtausch von übergrossen Bauzonen zwischen Gemeinden oder gar Kantonen ist eine wenig realistische Option. Die Einschränkungen des Bauens ausserhalb der Bauzonen wiederum werden als zu unscharf kritisiert. Umweltorganisationen kritisieren den Alleingang der Jungpartei, der dem Anliegen sogar schaden könnte.

Gerade die vielen offenen Fragen sind ein Grund, die Initiative in den Monaten bis zur Abstimmung vertieft zu diskutieren. werk, bauen + wohnen wird an dieser Stelle in nächster Zeit unterschiedliche Sichtweisen zur Diskussion stellen. Wir bleiben dran.

— Daniel Kurz
© Schweizer Heimatschutz
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