Wohnen in Stahl

Viele Architektenträume sind in Stahl errichtet, von Regisseuren wie Mies van der Rohe, Pierre Chareau oder Charles und Ray Eames eingeflüstert. Doch im anspruchsvollen Architektenalltag spielt der Stahlbau nur noch selten eine Hauptrolle, und fast keine mehr im Genre der Wohnarchitektur. Die Neubewertung der Solothurner Schule durch die umfassende Publikation «Gefüllte Leere» von Jürg Graser hat wenigstens dazu beigetragen, dass der Stahltraum nie ganz vergessen war. Projekte wie von Martin Bühler (vgl. wbw 6-2012), Jürg Graser (vgl. wbw 3-2013) oder jüngst Christian Kerez (vgl. wbw 1/2-2015) sind Ausnahmen, die die Regel bestätigen. Das entwerferische Vokabular des Stahlbaus scheint in Vergessenheit geraten. Die gesichtslosen Industriehallen sprechen eine entsprechende Sprache, es ist nurmehr noch ein architektonisches Stammeln.
Dabei liegen die Vorteile des Baumaterials Stahl auf der Hand und sind fast in jedem Buchstaben präsent: S für Systematisierung, T für Trockenbau ergo kurze Bauzeit, A für Anpassungsfähigkeit, H für seine Hochbelastbarkeit beim Zug (im Gegensatz zum Beton) und L für lange Lebensdauer. Es gibt somit mehrere Gründe von einer Wiederentdeckung des Stahls nicht nur zu träumen.
Angetrieben vom Interesse an einem spezifischen Ausdruck des Stahlbaus lobt das Stahlbau Zentrum Schweiz zusammen mit dem Institut Konstruktives Entwerfen der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften ZHAW einen Wettbewerb aus, neu über die Kunst des Fügens im Stahlbau nachzudenken. Aufgefordert sind Arbeitsgemeinschaften aus den Bereichen Architektur und Bauingenieurwesen, sich zu beteiligen. 5 Teams werden für einen Studienauftrag zugelassen, von Oktober 2016 bis April 2017 ein Case Study Steel House zu entwerfen. Zentrale Herausforderung wird sein, die Möglichkeiten der digitalen Vorfabrikation zu nutzen und in hybridem Verbund mit anderen Materialien die Vorzüge des Stahls ins Licht zu rücken. Wie können mit konstruktiven Kniffen die Anforderungen von Brandschutz, Behaglichkeit oder Akustik gemeistert werden? werk, bauen + wohnen ist bei der Stahlforschung mit dabei. Wir publizieren die Ergebnisse des Studienauftrags im nächsten Jahr.

Auftaktveranstaltung und Buchvernissage
«Zu Hause im Stahl. Räumliche und konstruktive Betrachtungen zu Stahl im Wohnungsbau»
22. Juni 2016 um 19 Uhr im Architekturforum Zürich

— Roland Züger
© Philippe Weisbecker, Structure Series, Nieves, 2015
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