Zersiedelungsinitiative: ein grundsätzliches JA!

Ein Schelm, wer sich dagegen stellt: Gibt es denn nach zwanzig Jahren ununterbrochener Bau-Hochkonjunktur noch immer Argumente gegen eine Initiative, die den Baulandwucher ein für allemal deckeln will? Am 10. Februar stimmen wir über die Zersiedelungsinitiative der Jungen Grünen ab, die Neueinzonungen von Bauland verbieten will. Das Kulturland soll damit den absoluten Schutz erhalten, den der Wald in der Schweiz schon seit über hundert Jahren geniesst.

«Wir müssen die Zersiedelung stoppen, nicht verlangsamen. Das Raumplanungsgesetz ist immer noch ein Expansionsvehikel», argumentiert zur Unterstützung der Initiative ein «Offener Brief» von idealistisch gesinnten Architektinnen und Planern, initiiert von der Zeitschrift Hochparterre. Und der Raumplaner Philipp Maurer argumentiert in seiner werk-notiz: «Wenn die Siedlung etwas dichter wird, müssen wir dem Raum für Landwirtschaft, Natur und Erholung mehr Sorge tragen, definitiv mehr als heute. Also: Innerhalb der Bauzone mehr, ausserhalb weniger. So einfach ist die Formel. Und so einfach fällt mir ein JA zur Initiative.»

Umso erstaunlicher, dass die Zersiedelungsinitiative von jenen, die sich von Berufes wegen für den Schutz der Landschaft und gegen Zersiedelung einsetzen – mit Bedauern – abgelehnt wird. Vor allem ihrer starren Forderungen wegen. «Gute Absicht – falscher Weg», urteilen die Schweizerischen Planerverbände SIA, FSU, BSA und BSLA in einer gemeinsamen Stellungnahme. In den Städten und den Knoten des öffentlichen Verkehrs, argumentiert auch der Schweizerische Städteverband, sollten gerade im Interesse der Siedlungsentwicklung nach innen gezielte Einzonungen möglich bleiben. Vor allem aber besteht die Gefahr, dass die vom geltenden RPG verlangten Auszonungen in peripheren Gebieten, etwa im Wallis oder Tessin, ins Stocken geraten: Mit der Plafonierung, warnt die Stiftung Landschaftsschutz Schweiz, «droht die Bauentwicklung in die peripheren ländlichen Gemeinden mit ihren heute in der Regel deutlich zu grossen Bauzonen gelenkt zu werden. Dies würde die heute erforderlichen Rückzonungen in vielen Gemeinden blockieren.» Den Paragrafen zum Bauen ausserhalb der Bauzonen beurteilen die Planerverbände als inhaltlich ungenügend. Die Fachleute bedauern – ebenso wie zahlreiche linke und grüne Parlamentsmitglieder und Exponenten der Umweltverbände – den Alleingang der Jungpartei mit einer Initiative, die viele Fragen unbeantwortet lässt und in manchen Punkten sogar eine Verschlechterung bringen könnte.

Trotzdem: Am 10. Februar reduziert sich die Frage auf ein einfaches JA oder NEIN. Vertreter der Bau- und Immobilienwirtschaft rühren jetzt schon mächtig die Trommeln, um die Initiative abzuservieren, die ihre Wachstumsaussichten begrenzt. Und kurz nach der Abstimmung beginnt die parlamentarische Debatte zur nächsten Revision des Raumplanungsgesetzes (RPG 2), die hauptsächlich vom Bauen ausserhalb der Bauzonen handelt. Die erste RPG-Revision 2012 kam in der heutigen Form unter dem Druck der Landschaftsinitiative zustande, deren Kernforderungen ins Gesetz eingeflossen sind. Lehnen wir die Zersiedelungsinitiative ab, so wird dieser Druck fehlen; ihre Ablehnung wäre Wasser auf die Mühlen jener Parlamentarier, die den Landschaftsschutz mit allen Mitteln aushebeln wollen. Darum empfehlen wir von werk, bauen + wohnen unseren Leserinnen und Lesern ein grundsätzliches und zugleich taktisches – JA zur Initiative.

— Daniel Kurz
© zVg
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