Artikel aus 9–2024

Moitié-moitié

Ein Ausflug ins Freiburgerland zu Bauten von Bard Yersin architectes

François Esquivié, David Bard (Bilder)

Bard Yersin kennen nichts anderes als den Umbau. Ihr Umgang mit dem Bestand und dessen Anpassung an heutige Bedürfnisse ist charakterisiert durch räumliche Poesie und einen Realismus, der Widersprüche akzeptiert und Kontraste mildert.

Eine sportliche Autofahrt durch das Greyerzerland und das Tal der Glâne. Die Landschaft? Bukolisch. Die weiten Täler wachsen zu Voralpen als eindrückliche Naturkulisse. Die traditionellen Bauernhöfe davor, ob einzeln in die Landschaft gestreut oder im Kontext der Dörfer, bestätigen das idyllische Bild, das sich Aussenstehende von der ländlichen Welt im Kanton Freiburg machen. Doch in Wirklichkeit steht dieser bäuerliche Kosmos, der seit Jahrhunderten die Landschaft geprägt hat, unter dem Druck eines erbarmungslosen Wandels. Von diesem zeugen die Industriehallen am Eingang der Dörfer ebenso wie die ausgedehnten neuen Hüsliquartiere an den Sonnenhängen. Der Wandel stellt die räumliche Organisation der produktiven Landschaft auf den Kopf: Scheunen und Ställe stehen in grosser Zahl leer und warten auf eine neue Nutzung. Diese sollte aber nicht einfach irgendwie geschehen: Wenn Umnutzungen Konstruktion und Ausdruck dieser Bauten nicht bewahren, kommt es zu einer Banalisierung der Ortsbilder. Solche Themen bilden den roten Faden, der die Projekte von Bard Yersin verbindet. Sie arbeiten auf dem Land, abseits der boomenden Regionalzentren wie Romont oder Bulle, die von der Nähe zum Arc lémanique profitieren und ihre Anziehungskraft auf Kosten der Dörfer und Weiler weiter ausbauen.


Radikal und provisorisch

Mézières ist eines jener vielen etwas nüchternen und seelenlosen Dörfer, die durch unsensible Renovationen sowie durch pseudo-ländliche Neubauten verunstaltet sind. Die Familie Bard hat hier ein traditionelles Bauernhaus aus dem 18. Jahrhundert erworben. Etwas abseits des Dorfs, besteht es aus dem gut erhaltenen Wohnteil mit Holzfassade sowie der Stallscheune unter dem gleichen Dach. Ein hohes Holztor markiert die Tenne. Nichts lässt erahnen, dass eine Betondecke das Innere des traditionellen Bauernhauses samt Scheune unterteilt: Darunter wurde 1990 eine weitere Wohnung eingebaut. David Bard hat darin gewohnt, aber er fühlte sich nie ganz wohl. An diesem Punkt beginnt seine Geschichte als Architekt, der sich mit seinem Studienkollegen und heutigen Büropartner Thibault Yersin an einen weiteren Umbau macht. Bard Yersin haben verstanden, dass das Bauwerk Innenräume braucht, die seinem Massstab entsprechen. Um es von seinem Joch zu befreien, konnte nur eine radikale Strategie der Subtraktion helfen: Die Betondecke aufsägen, um den Blick in den hohen Raum der Scheune wieder zu öffnen und deren architektonische Qualität wirksam werden zu lassen. Als zweites den Putz von den Trennwänden des letzten Umbaus kratzen, um das Mauerwerk sichtbar zu machen. Dank der brutalistischen Ästhetik des Edelrohbaus gelingt es, die verschiedenen Lebensetappen des Gebäudes miteinander zu versöhnen und ihm eine vollständige Gestalt zu geben. Das Budget war sehr begrenzt, und so beschränkt sich der Eingriff auf Wohnraum und Küche. Der Umbau ist dennoch so ungewöhnlich und radikal, dass die Architekten ihn als Manifest ihres Schaffens verstehen, als «Suche nach einer Art von Zeitlosigkeit», wie sie erklären, moitié-moitié: halb alt – halb neu. Sie laden darum gern ihre Bauherrschaften nach Mézières ein, um ihnen deutlich zu machen, aus welchem Holz sie geschnitzt sind.

Erprobtes weiterentwickeln

Und das Muster überzeugt. Vor allem Bauernfamilien, die im Dorf über leerstehende Stallscheunen verfügen, interessieren sich dafür. Sie würden die grossen Volumen gern bewohnbar machen. Besitzende, die selbst darin wohnen, haben naturgemäss eine direkte Beziehung zu ihrem Haus, was die Projektierung aber nicht einfacher macht, im Gegenteil. Eigenbau und Bricolage sind auf dem Land sehr verbreitet. Jeder und jede kennt jemanden, der in der Freizeit gern mauert, betoniert und unbesorgt drauflosbaut. Weniger populär sind auf dem Dorf dagegen architektonische oder denkmalpflegerische Überlegungen. Dem fiel eines der Umbauprojekte von Bard Yersin zum Opfer, sie durften es nicht selbst umsetzen.

In Grandvillard, einem Haufendorf im Greyerzerland, dessen Kern vom ISOS als Ortsbild von nationaler Bedeutung eingestuft wird, haben sie soeben ein Bauernhaus aus dem 18. Jahrhundert geschickt umgebaut. Es steht direkt neben der noch älteren «Maison du Banneret» – ein beeindruckender Zeuge aus dem Zeitalter der «Käsebarone» im Ancien Régime, der die vergangene wirtschaftliche Blüte des Greyerzerlandes verkörpert, die auf dem Export von Käse nach Lyon beruhte.

Beim Einbau von drei Wohnungen – eine im alten Wohnteil, zwei in der Stallscheune – respektierten die Architekten die typologische Charakteristik des Gebäudes. Sie akzeptieren den Typus des Bauernhauses als strikte Referenz in Bezug auf Konstruktion und Architektur und entschieden sich für einen architektonischen Kompromiss: Einzelne Zimmer sind eher dunkel, geniessen aber immerhin Aussicht. Die grossen Lufträume gehen nicht auf Kosten der Effizienz, sondern lassen Raum für Unvorhergesehenes, und die äusserst grosszügigen Erschliessungen sind gleichzeitig vollwertige Wohnräume. Die neuen Flächen lassen sich jedoch an zeitgenössische Wohnbedürfnisse anpassen, verleihen den Projekten von Bard Yersin auch eine Art Unbestimmtheit. Es ist eine Abwesenheit von klaren Begrenzungen und funktionalen Zuschreibungen, wie sie für das Dorf mit seinen im Lauf der Jahreszeiten leer bleibenden Scheunen und Ställen typisch ist.

Vorausschauen statt basteln

Die Herstellung des Greyerzerkäses, ursprünglich eine Spezialität der Freiburger Alpregionen, hat sich seit dem späten 19. Jahrhundert ins Mittelland ausgebreitet, und jahrzehntelang besass jedes Dorf im Kanton seine eigene Käserei. Doch die Anforderungen an Hygiene und Effizienz sind seit der Einführung von Qualitätslabels in den 1970er Jahren ständig gewachsen. Viele Dorfkäsereien konnten sich die nötigen Investitionen nicht leisten. Sie wurden geschlossen oder haben sich in grössere, automatisierte Produktionsbetriebe verlagert. Die Dörfer verloren damit einen wesentlichen Anziehungspunkt.

Diesem Trend stellt sich das Projekt für die Käserei Romanens entgegen. Es geht von der Annahme aus, dass der Betrieb in Zukunft weiter wachsen wird und setzt dafür im wahrsten Sinne des Wortes die Eckpfosten. An der Kreuzung der wichtigsten Strassen gelegen, glich die Käserei einem Konglomerat von diversen Erweiterungen im Auf und Ab der Konjunkturen. Die Grundstruktur mit zwei durch einen Leerraum getrennten Giebelfassaden – der alten Käserei und des benachbarten Schweinestalls – war dadurch verunklärt. Bard Yersin sollten eigentlich nur einen weiteren Kühlraum planen. Doch am Ende gelang es ihnen, die Genossenschaft von einem etwas grösseren Projekt zu überzeugen, das für die zukünftigen Wachstumsschritte Raum schafft und gleichzeitig dem Ensemble eine kohärente Form zurückgibt. Sie überdeckten den Leerraum zwischen Stall und Käserei mit einem offenen Dach und ergänzten die beiden bestehenden Giebel so zu einem Triptychon. Der Käsekeller im Sockel ist erweitert worden und kann später wiederum vergrössert werden. Bis dahin bietet das Dach einen gedeckten Aussenraum. Im Sinn der verlangten nüchternen Lösung entschieden sich die Architekten für Träger aus Brettschichtholz und für gedämmte, industriell hergestellte Fassadenpaneele sowie für Gipswände im Inneren. Den Betonsockel erstellte ein benachbarter Landwirt, der schon den ersten Keller gebaut hatte. Die herkömmliche Betonqualität (Dreikantleisten, Holzschalung, grobe Struktur) und der pragmatische Ausdruck der Gebäudehülle haben den Vorteil, dass sie dem Ensemble eine tektonische Kohärenz verleihen, die eher interessant als störend wirkt. Mit der gleichen Logik entschieden sich Bard Yersin für die weisse Farbe. Einerseits, um dieser Etappe eine starke und dauerhafte Form zu geben, andererseits, um die aseptische Realität der modernen Produktionsräume dieser kleinen Käserei auch aussen sichtbar zu machen. Der Schweinestall dagegen bleibt baulich fast unverändert und wird vorerst als Lager genutzt.

Die Heilige auf dem Bauernhof

Auch die Religion spielt im ländlichen Kanton Freiburg eine bedeutende Rolle und hat ihre Spuren hinterlassen. Der kleine Weiler La Pierraz liegt imWesten des Kantons, ein wenig südlich von Romont. Hier kam 1815 Marguerite Bays zur Welt, die 2019 heiliggesprochen wurde. Ihr Zimmer in einem alten Bauernhaus, seit 1879 unverändert erhalten, ist zum Ziel wachsender Pilgerströme geworden. Die Fondation Sainte Marguerite Bays beauftragte 2020 Bard Yersin mit dem Projekt für ein Besucherzentrum und drei Wohnungen in der angebauten Scheune. Ohne die Grundstruktur des Bestandes zu verändern, fand ein kreuzförmiger Raum im Erdgeschoss Platz, der durch die offene Tenne von beiden Gebäudeseiten her erschlossen ist. Die ehemalige Scheuneneinfahrt an der östlichen Giebelwand erschliesst die drei Wohnungen abseits des Pilgerstroms. Um die Raumfülle unter dem Scheunendach auszunutzen, sind die Wohnungen als Maisonettes organisiert. Dachflächenfenster bringen Licht in zweigeschossige Räume, welche die Höhe der Scheune spüren lassen. Auf beiden Seiten öffnet sich eine Loggia, die einen geschützten Aussenraum bietet. Das Projekt soll 2025 realisiert werden.

Kampf um Baukultur

Im Dorf bleibt niemand anonym, die Wege sind kurz, man kommt schnell in Kontakt miteinander. Aber es gibt oft wenig Raum und Verständnis für Architektur und Baukultur. Bard Yersin schätzen die Architektur vor Ort und betrachten sie mit einem anderen Blick als die Einheimischen – vielleicht dank ihres Studiums an der HEIA Fribourg, vor allem aber dank ihrer Sensibilität für die Baukultur der Region, in der sie selbst zuhause sind. Mit ihrem Ansatz wollen sie nicht zur Verstädterung der ländlichen Welt beitragen, sondern im Gegenteil geduldig die Spuren des Authentischen in der fein strukturierten morphologischen und baulichen Substanz der Freiburger
Dörfer stärken.

François Esquivié (1979) hat Architektur in Grenoble und Dresden studiert, wohnt in Zürich und ist Lehrbeauftragter im Joint Master of Architecture an der HTA in Fribourg. Parallel ist er Fachredaktor und -übersetzer bei der CRB und schreibt gelegentlich über Architektur, Landschaft und Städtebau für Fachzeitschriften.

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