JAS Nr. 95 – Squadra

Architektur mit den Händen denken

Squadra entstand 2021 aus einem Bedürfnis selbstbestimmt zusammenzuarbeiten. Aus einer losen Gruppe mit geteilter Infrastruktur wurde ein Kollektiv mit gemeinsamen Interessen. Auf der Baustelle sind sie zugleich handwerklich und planerisch präsent. Sie pflegen eine Gesprächskultur, die zu Konsens und starken Konzepten führt. Squadra sind Luca Bazelli (1992), Béla Dalcher (1993), Alessio De Gottardi (1991), David Moser (1992), Matthias Müller Klug (1992), Lian Liana Stähelin (1994) und Thierry Vuattoux (1994).

Was ist eure Herkunft?

Ein breites Interesse vom Handwerk bis zum Städtebau verbindet uns – und eine Faszination für Baumaschinen, Werkzeuge und Kameras. Schon vor dem Architekturstudium an der ETH Zürich sammelten einige von uns praktische Erfahrung auf der Baustelle, in der Lehre als Zimmermann oder bei der Arbeit beim Maurer. Andere machten ihre ersten Erfahrungen im Rahmen von Selbstbauprojekten im Tessin. Nach einigen Jahren in Architekturbüros und Bauunternehmen wagten wir, alle in ihrem je eigenen Rhythmus, den Schritt in die kollektive Selbständigkeit. Wir begannen in geteilten Atelierräumen zu arbeiten, jede und jeder für sich, aber alle zusammen – in der Werkerei in Schwamendingen und auf dem Klybeckareal in Basel. Neugierig zu sein, im Austausch zu bleiben und einer Faszination nachzugehen ist uns wichtig. Auch heute gehen wir für unsere gemeinsame Arbeit an die jeweiligen Orte, nehmen uns Zeit, um diese kennen zu lernen, und entwickeln so das Projekt. Immer wieder verschieben wir unseren Lebensmittelpunkt temporär und ziehen zur Baustelle, zum Projekt.

Was ist euch wichtig im Denken und Entwerfen?

Unsere Arbeiten sind geprägt von einer Symbiose zwischen Handwerk und Entwurf, der Entstehungsprozess ist im Resultat spürbar. Die Architektur soll nicht abgeschlossen sein, der Gebrauch und die Aneignung transformieren den Raum weiter. Durch unsere Präsenz vor Ort sind wir flexibel, mit Überraschungen produktiv umzugehen – das ist bei der Arbeit mit Vorgefundenem unabdingbar. Das Ausarbeiten von Details in Gesprächen vor Ort und das Zeichnen direkt auf den Boden oder die Wände ermöglicht uns eine tiefe Auseinandersetzung mit dem Bestand und eine unmittelbare Kommunikation. Die gemeinsamen Besprechungen, das Finden eines Konsenses sowie konstruktive Kritik an den Projekten verhelfen uns zu einem guten Entwurf. Wir bauen auf die Stärke im Kollektiv und können, wenn wir uns einig sind, unsere Vorschläge selbstsicher vertreten. Einschränkungen nehmen wir als Potenzial wahr, suchen direkte Lösungen und lassen Unwichtiges weg. Wir versuchen Kompromisse zu finden, die gut sind – feinfühlig, spontan und menschlich.

Und wie zeigen sich diese Aspekte konkret in einem von Euch ausgewählten gebauten Projekt?

Für das Projekt der Enoteca Chiericati sind wir kurzerhand für mehrere Monate ins Tessin gezogen. Wir brachten alle unsere Werkzeuge, Maschinen, Kameras und Computer mit und installierten uns in Bellinzona. Durch die Nähe zu den Menschen, zum Projekt und der Umgebung schauten wir genauer hin. So lernten wir die Handwerker kennen und arbeiteten mit ihnen zusammen. Wir waren kein Architekturbüro als externes Organ, sondern integraler Teil des Alltags auf der Baustelle. So liessen sich untypische Arbeitsabläufe etablieren und wir konnten mit lokalen Materialien arbeiten: Sand der Gletschersandgrube, Sumpfkalk und Hanfbausteine aus der Umgebung. Praktisch den gesamten Abbruch haben wir wiederverwendet. Aus den alten Zwischenböden und der Einrichtung der Weinhandlung entstanden neue Regale, Wände und Tische. Wir behaupten, dass die Geschichte in den Materialien spürbar ist und Patina sowie die Spuren der Handarbeit Ausstrahlung besitzen. Das Vorgefundene war vielleicht aus der Mode gekommen, konnte so aber bleiben und neuen Wert entfalten.

Enoteca Chiericati

Squadra, Zürich/Basel/Bellinzona/Barcelona

www.squadra.works

Standort: Via Convento 10, 6500 Bellinzona
Bauherrschaft: Chiericati Vini SA, Bellinzona
Architektur: Squadra - Dzulija Jakimovska, Alessio De Gottardi, Béla Dalcher, Matthias Müller Klug, Lian Liana Stähelin, David Moser
Chronologie: Planungsbeginn Dezember 2023, Bauetappe Enoteca März–Mai 2024, Weitere Etappen in Bearbeitung

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