Ein Lob auf das Dazwischen

«Landschaftstadt» ist eine – zugegebenermassen etwas nebulöse – Wortschöpfung, die man sowohl als Hoffnung, als Versprechen, mancherorts als Zustandsbeschreibung interpretieren könnte. Die Kuratoren und Architekten Meritxell Vaquer und Daniel Bosshard versammeln im ZAZ Bellerive am Zürcher Seeufer 13 Positionen aus der Kunst, dem städtischen Planungsamt, dem Kreise interessierter Architekturschaffender des BSA und vor allem aus der Lehre, die sich lose um dieselbe Frage drehen: Was geschieht mit der Landschaft, sowohl in der Stadt als auch ihren Vororten, unter dem Zeichen des grossen Verdichtungsdrucks?

Es überrascht nicht, dass so offen das Thema, so breit gefächert auch die Beiträge sind. Studierende des ETH-Lehrstuhls von Jan de Vylder sowie das Amt für Städtebau beschäftigen sich beispielsweise mit Zürichs Rändern, den Gartenstadtquartieren, und zeigen auf spielerisch kritische, bis ganz vernünftige Weise, wie sie zu verdichten sind. Sinnlicher sind etwa die Fotografien der Künstlerin Ruth Erdt, welche die manchmal schwer fassbare Schönheit des Zürcher Stadtteils Schwamendingen einfangen. Etwas weiter draussen, in der Agglomeration Zürichs, bewegen sich Reto Pfenninger, Urs Primas und Studierende der ZHAW. Sie zeigen in zwei grossen Vorher-Nachher-Luftaufnahmen das Furttal und sein Potential, wenn Architektur, Wasser, Landwirtschaft und Energieproduktion für einmal zusammen gedacht werden.

Allen Beiträgen gemeinsam ist der Blick weg von Häusern hin auf die Zwischenräume. Wenn die Stadt in Zukunft gegen Überhitzung und Überschwemmung gewappnet sein will, ist der Stadtboden entscheidend. So ist es kaum Zufall, dass Tom Emerson mit seinen Studierenden an 16 zufällig ausgewählten Punkten den Boden der Stadt untersucht, und dort fast ausschliesslich versiegelte Asphaltflächen vorfindet.

So unterschiedlich die Flughöhen der Betrachtenden, so unterschiedlich auch die gewählten Formate. Jeder Raum des ZAZ ist bespielt – mit grossen Karten, Fotoserien, Projektplänen, Modellen und sogar einer Installation, die bis in den Garten reicht.

Insgesamt ergibt das eine dichte Ausstellung, welche die zunehmende Komplexität des Themas widerspiegelt und den interdisziplinären Zugang zeigt, den es für eine dichtere, nachhaltigere Stadt braucht. Ist man bereit, sich treiben zu lassen, trifft man auf viel Inspiration und vor allem einen bemerkenswerten Optimismus in einem Diskurs, der aktueller nicht sein könnte.

— Jasmin Kunst


ZAZ BELLERIVE Zentrum Architektur Zürich
bis 24. September 2023
Höschgasse 3, 8008 Zürich
www.zaz-bellerive.com
Mi–So 14 –18 Uhr
Zahlreiche Veranstaltungen
vgl. Webseite

© Grid «Groundworks» Bild: Professur Tom Emerson, ETH Zürich
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