Auf Einladung von werk, bauen + wohnen und dem Schweizerischen Architekturmuseum S AM diskutierten in Basel am Donnerstag prominente Gäste über «Schweizer Architektur als Exportprodukt» und über ihre Erfahrungen, beim Bauen oder Planen in anderen Ländern.
«Es geht ums Hinhören», sagte Herzog & de Meuron-Senior Partnerin Christine Binswanger: «Man muss schnell den Ort verstehen, seinen Sound heraushören». Wie in Miami, wo das bekannte Parkhaus von Herzog & de Meuron ein ganzes Quartier wachgeküsst hat. Dann spielt die schweizerische Ausbildung und die spezifische Art des architektonischen Denkens eine untergeordnete Rolle. Dazu kommt: mit jedem Ort – wie mit jedem Projekt – wächst das eigene kulturelle Repertoire.
Aus Berlin berichtete Senatsbaudirektorin Regula Lüscher, dass Diskussionen ganz anders als in der Schweiz geführt werden: Man sucht und betont weniger das Gemeinsame als das Trennende. Kritik ist scharf und schonungslos, und die historischen Erfahrungen von Ost und West, von Krieg und Zerstörung prägen die ideologisch geführten Debatten. «Manchmal ist es das Beste, der Entwicklung mehr Zeit zu geben, Prozesse eher zu verlangsamen, bis sich das richtige Programm für den Ort ergibt», sagte Lüscher.
Wer im Ausland baut, muss gelegentlich auch loslassen können. Konzeptionelles Denken oder tektonisches Konstruieren sind die eigentlichen Schweizer Exportprodukte – und nicht die Liebe zum Detail. In Lagos wurde das sorgsam geplante Community Building versehentlich um 90° gedreht realisiert, schmunzelt Fabienne Hoelzel, und Christine Binswanger spricht von Baustellen, über deren Fortgang sie sozusagen nur über Google Earth Bescheid weiss. Die Kunst des Improvisierens – das ist gewiss keine Schweizer Spezialität, in Afrika jedoch das A und O eines erfolgreichen Projekts.
Manches ist anderswo aber auch einfacher: Das Wohnhochhaus von Charles Pictet in Paris ist zwei Jahre nach dem Wettbewerb schon im Bau: «In Genf würde das mindestens zehn Jahre dauern!» Die Bürokratie ist ganz unfranzösisch schlank, alles Wichtige wird mündlich abgemacht. Und, ja: vielleicht steht am Ende nicht jede Wand millimetergenau so wie im Plan.
Wo, wie in den Slums von Lagos, der Staat fast nur als ferne, feindliche Macht präsent ist, geht es darum, mit den Menschen vor Ort ihre Bedürfnisse zu erfassen und Lösungsmöglichkeiten zu suchen, die sich mit einfachen Mitteln realisieren lassen. «Müsste dieser Ansatz nicht auch im wohlorganisierten Europa mehr gepflegt werden?» fragt Fabienne Hoelzel. Die Antwort von Regula Lüscher: Bürgerbeteiligung ist in einer Stadt wie Berlin das Gebot der Stunde – und ein gutes Gegengewicht gegen einseitige Interessendurchsetzung. Initiativen von unten, erwartete Störungen, Abweichungen vom Masterplan sind oft eine glückliche Wendung. Freilich gerät die wichtige Institution des Wettbewerbs durch den Anspruch auf Bürgerbeteiligung in eine Krise. «Wir müssen neue Formen finden, die Beteiligung und Qualitätssicherung gleichermassen sicherstellen.»
Die Schlussrunde nutzte Christine Binswanger zu einem fulminanten Plädoyer für das S AM: Soeben hat der Bund seine finanziellen Mittel gestrichen, und die Beiträge des Kantons Basel stehen politisch auf wackligen Füssen: «Architektinnen und Architekten, unterstützt das S AM, werdet Mitglied oder Gönnerin!» Wir schliessen uns diesem Aufruf an.
Zum Thema des Abends zeigt das S AM gegenwärtig die Ausstellung In Land Aus Land. Swiss Architects Abroad – und auch das aktuelle Heft 7/8-2017 Import–Export ist der Schweizer Architektur im Ausland gewidmet (hier geht’s zur Bestellung). Ausstellung und Heft sind unabhängige Produkte einer intensiven Zusammenarbeit.