«Nur wenige Architekten besitzen heute genug Widerstandskraft, sich den momentan angesagten Trends und pragmatischen Zwängen zu entziehen», schreibt die Jury in ihrer Begründung. Mit seiner Forschung zu ökologischen Baukonstruktionen, besonders zur Wiederentdeckung von Stampflehm als Baumaterial hat er sich verdient gemacht. Das Wohnhaus des Lehm-Pioniers Martin Rauch in Schlins (2008, wbw 3–2008 S. 24-31) ist heute eine Pilgerstätte geworden. Seitdem hat Boltshauser den Lehm regelmässig in seinen Projekten zur Anwendung gebracht und mit anderen Baustoffen effektvoll kombiniert. Insbesondere in hybriden Konstruktionen, in Kombination mit Stahl, zum Beispiel auch vorgespannt wie beimOfenturm für das Ziegelei-Museum in Cham (2015). Solche Möglichkeiten untersucht er nicht allein in seiner Praxis, sondern seit 20 Jahren auch in Lehre und Forschung in Chur, Dessau, Luzern, München und derzeit an der ETH Zürich.
«Er erschafft Bauwerke, deren Bedeutung weit über die Befriedigung temporärer Bedürfnisse hinausreicht und Sinn stiftet. Sie zeigen, was Architektur heute sein kann», schreibt die Jury. Diese symbolische Wirkung des ökologischen Materials Lehms könnte besonders bei öffentlichen Bauten zum Tragen kommen. Leider hat das Basler Stimmvolk 2019 dem Neubau des Grossaquariums für den Zoo eine Absage erteilt. Boltshauser wollte dort den Lehm nicht allein bei den Innenräumen zur Geltung bringen, sondern in der Fassade zur aktiven Kühlung und Heizung der Wasserbecken der Fische nutzen. Im zukünftigen Sport- und Schwimmzentrum Oerlikon in Zürich (2031) wird das Dach von zylinderförmigen Lehmtürmen getragen. Nebst der Erschliessung aussen befinden sich darin thermische Wasserspeicher. Sie zeigen wirkmächtig, welche Formkraft sich durch den Einsatz neuer Materialien entfalten könnte. Die Volksabstimmung darüber ist 2026 vorgesehen.
Am 24. Oktober 2024 wird Roger Boltshauser im frisch umgebauten Blockhaus in Dresden mit dem Semperpreis von der sächsischen Akademie der Künste geehrt. Die Auszeichnung ist nach Gottfried Semper benannt, von dem in Dresden heute noch die Oper und die Gemäldegalerie besichtigt werden können. Der Semperpreis wird seit 2007 vergeben, zuletzt 2022 an Florian Nagler aus München und nun zum ersten Mal an einen Architekten aus der Schweiz.
«Lehm – Der Sprung zum urbanen Massstab» wbw 6 – 2018
u.a. mit einem Interview mit Roger Boltshauser, Guillaume Habert und Martin Rauch.
«Dresden – Vergessenes neu entdecken» wbw 7/8–2024
zur jüngsten Bautätigkeit in Dresden, u.a. zum Umbau des Blockhauses von Nieto Sobejano.