Für starke Stadt- und Kantonsbaumeister

Scheint es uns nur so – oder ist es Tatsache? Wir haben den Eindruck, dass das so zentrale Amt des Stadt- oder Kantonsbaumeisters immer mehr unter Druck gerät. Das zeigen Reorganisationen, Stellenausschreibungen und -besetzungen der letzten Wochen. In Luzern soll das Amt des Stadtarchitekten zu einer subalternen Dienststelle abgestuft werden – dagegen protestiert der BSA Zentralschweiz. Und der Kanton Zürich wählte ins Amt des Kantonsarchitekten jüngst nicht eine Architektin, sondern einen Ingenieur und Immobilienpromoter.

Da stellt sich die Frage: Vertrauen unsere Regierenden, ob bürgerlich, rot oder grün, nicht mehr wie früher auf die Kompetenz von Architektinnen und Architekten als Sachwalter für Baukultur und öffentliches Bauwesen? Oder haben sie die Baukultur zur Nebensächlichkeit herabgestuft?

Das baukulturelle Gewissen

«Als Stadtarchitekt bin ich das gestalterische Gewissen der Stadt und verantworte die Qualität des gebauten Lebensraums» – so fasst der Zuger Stadtarchitekt Christian Schnieper seine Aufgabe zusammen. Die Qualität der öffentlichen Bauten, vielerorts aber auch die Entwicklung der privaten Bautätigkeit hängt von einer umsichtigen Kantons- oder Stadtbaumeisterin ab. Weiss sie oder er Weitsicht und Verhandlungsstärke mit einem sicheren architektonischen Urteil zu verbinden, hat dies enormen Einfluss auf das Architekturgeschehen. Das zeigen etwa Beat Aeberhard in Basel, Isabelle Charollais in Genf oder eben Christian Schnieper in Zug. Der BSA hat unlängst mit seiner Publikation über Kantonsbaumeister dazu beigetragen, dieses wichtige Amt sichtbar zu machen.

Druck der Immobilienwirtschaft?

Ein anderer Wind weht in der Politik. In den Parlamenten scheint eine Art grundsätzliches Misstrauen gegen Architektur und Architekturschaffende überhand zu nehmen, vielleicht genährt von «Fachleuten» aus der Immobilienwirtschaft: Die Überzeugung, dass Architekten stets zu teuer und zu kompliziert planen, und dass sie dabei nur an ihre Interessen, an Architektur mit gross A denken, statt auch an jene des Nutzers, an Kosten und Termine. Dies auch dann, wenn sie öffentliches Bauamt leiten.

Es ist ein Druck spürbar, öffentliche Bauten nur noch als Immobilien zu betrachten und ein Glaube, dass private Entwickler oder TU den gleichen Job viel effizienter und unkomplizierter, womöglich sogar billiger erledigen könnten. Exponenten der Immobilienwirtschaft wie Halter-CEO Markus Mettler behaupten dies ja auch unverhohlen.

Manager als Kantonsbaumeister

Schon vor Jahren wurden viele Hochbauämter in Immobilien-Ämter umbenannt, doch wurden sie weiterhin von Architekten geleitet. Es ist auch nichts Neues (oder Schlechtes), dass Architekten mit einer Karriere in der Immobilienwirtschaft zur öffentlichen Hand wechselten, wie der genannte Christian Schnieper in Zug. In Bern hat soeben Lorenz Held, bisher Mitinhaber von Brandenberger Ruosch, die Leitung des Amts für Grundstücke und Gebäude (das Hochbauamt) übernommen – die lokale Architektenschaft äussert Enttäuschung darüber, dass kein praktizierender Architekt mit Erfahrung im eigenen Büro den Zuschlag bekommen habe. Obwohl sich fähige Leute aus den Kreisen des BSA beworben hätten, seien diese nicht einmal zu einem Gespräch eingeladen worden, meint der Präsident des BSA Bern, Patrick Thurston.

Noch weiter geht der Kanton Zürich: Der neue Kantonsarchitekt ist nicht Architekt, sondern Kulturingenieur; er hat sich seine Lorbeeren als Manager beim Flughafen und Projektverantwortlicher des Projekts The Circle geholt. Beim Lesen der Medienmitteilung drängte sich die Frage auf: Würde man eine Nichtmedizinerin zu Kantonsärztin machen? Braucht es keinen architektonischen Sachverstand für den Chef von über 100 Architektinnen und Architekten, die Gewährsperson für die öffentliche Baukultur des Kantons?

Den Zürcher Baudirektor Martin Neukom bringt diese Frage «zum Schmunzeln», er beantwortete sie im e-mail – freundlich und unbestimmt – wie folgt: «Eine gute Baukultur hat bei mir einen hohen Stellenwert und auch beim neuen Kantonsbaumeister. Aber was gute Baukultur ist, da sind sich bestimmt nicht alle einig. Das ist eine Diskussion, die ich gerne auch führen möchte, insbesondere wie die Baukultur weiterentwickelt wird.»

Architekten: Lernt die Sprache der Politik!

Das Votum des Regierungsrats darf als Einladung verstanden werden: Architektinnen und Architekten, nehmt Stellung und redet mit, wenn die Baukultur im politischen Betrieb definiert und «weiterentwickelt» wird. Und dazu ein Tipp: Die gelegentlich etwas gestelzte Sprache, die Architekturschaffende untereinander pflegen, ist ein Jargon, den Laien meist weder verstehen können noch möchten. Sie möchten den Mehrwert des besseren Projekts in einfachen Worten erklärt haben, vor allem möchten sie wissen, was es ihnen selber an Mehrwert bringt. Da könnten viele aus der Branche noch dazulernen.

Und wer will, dass aktive Architektinnen und Architekten wieder öfter in öffentliche Führungspositionen gewählt werden oder selbst ein solches Amt anstrebt, sollte sich vor einer betriebswirtschaftlichen Weiterbildung nicht scheuen. Ein MBA wird für Führungsaufgaben auch in der Verwaltung heute oft vorausgesetzt – nicht ohne Grund. Denn es geht nicht nur um die Leitung von Preisgerichten, sondern um Management, wie Martin Neukom weiter schreibt: «Der Kantonsbaumeister ist Amtschef eines Amtes mit rund 130 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und mit rund 700 laufenden Projekten. Bei dieser Aufgabe sind für mich auch Managementfähigkeiten und insbesondere die Kommunikation mit allen Stakeholdern sehr wichtig.»

Die Baukultur braucht starke Sachwalterinnen und dafür hervorragende Architektinnen und Architekten mit nachgewiesenen Managementqualitäten. Sonst besteht die Gefahr, dass andere definieren, was Baukultur in Zukunft sein soll.

— Daniel Kurz
Das Hochbauamt Kanton Zürich
© Das Hochbauamt Kanton Zürich via artlog.net
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