Die Anfrage von werk, bauen + wohnen, einige Bemerkungen zu Beton und Vorfabrikation in England zu verfassen, habe ich gern angenommen, zumal zwei der Bücher, die in unserem Büro oft aufgeschlagen werden, zu diesen Themen einigen Stoff bereithalten: Charged Void von Alison und Peter Smithson sowie Architecture, City, Landscape über Denys Lasdun.
Ein direkter Vergleich der Architektur Denys Lasduns und der Smithsons erscheint mir zwar etwas willkürlich, die punktuelle Fokussierung auf das Thema Beton wirft aber einige interessante Fragen auf.
So verwenden die Smithsons für die Fassade der Robin Hood Gardens vorfabrizierte Betonteile, die stark sandgestrahlt sind und so eine rohe Materialität entfalten. Erstaunlich erscheint die Formgebung der vertikalen Elemente als grobe H-Profile, die – wie die ganze Fassade – ohne Mühe als «brutalistische» Transformation der Fassadenthemen von Mies van der Rohe gedeutet werden können. Zusammen mit den Versätzen der Profile in der Höhe und Tiefe entfaltet diese Fassade einen starken und eigentümlichen Charakter, der durchaus auch eine ernste, leicht absurde Ironie beinhaltet. Die kraftvolle Detaillierung ist aber auch im Hinblick auf die wahrnehmbare Fassung des weiten Zwischenraumes verständlich, der über die Geste der leichten Knicke der beiden Gebäude definiert wird.
Denys Lasdun hat Beton in verschiedenen Bauten ausgiebig in Szene gesetzt, mehr als die Smithsons, so etwa beim Royal National Theater, das weniger ein Haus ist als ein geologisches Stratum. Daneben gibt es bei Lasdun eine ganze Reihe strukturell gedachter Bauten. In diesen Fällen verwendet er oft sehr schmale, fragile, pfeilerartige Stützen. Generell sind bei ihm die Teile minimiert und meist über schmale Flächen gefügt; sie erzeugen damit ein Gerüst mit einer Tiefe, die sich auf schwellenartige Zwischenräume ausweiten kann. Ganz ausgeprägt ist das am Royal College of Physicians sichtbar. Bei der studentischen Wohnanlage der University of East Anglia in Norwich erscheinen die Betonelemente kaum als Material, ihre tektonische Funktion zeigt sich fast wie mit dünnem Bleistift gezeichnet. In diesen Momenten erweist sich die Anlage als elegante, feine, auch modernistische Struktur – das Gegenteil von den groben, fast bäuerischen, dafür physisch körperhaft erfahrbaren Konstruktionen der Smithsons.
Das sind schöne Kontraste und sie zeigen die enorme Bandbreite und die Ver-formbarkeit des Betons auf persönliche Aussagen hin. Beide Tendenzen finden ihre Berechtigung, und wie man sieht im selben kulturellen Kontext und zur selben Zeit. Dies gilt bis heute.
Mehr über Denys Lasdun lesen Sie in Heft 12–2016, das Sie hier bestellen können.