Leerstände allenthalben

Der Schweizer Wohnungsmarkt wird von Neubauten überschwemmt. Der neuste Credit Suisse-Immobilienmonitor meldet aktuell Leerstandsziffern wie letztmals 1999! Wer erinnert sich noch? In den 1990er Jahren war in der Schweiz der Immobilienmarkt krachend zusammengebrochen. Respektable Firmen der Branche mussten Konkurs anmelden, ebenso wie viele kleine Spekulanten, und nicht wenige Banken gerieten ins Wanken. Damals wie heute betrug die Leerstandsziffer 1.47, wie die aktuellsten Zahlen aus dem Bundesamt für Statistik zeigen. Das gibt zu denken.
Die Geschichte wiederholt sich freilich nicht einfach in gleicher Form: In den 1990er Jahren waren die Zinsen hoch, Leerstände brachten die Eigentümer deshalb viel schneller in Existenznöte. Und während die Zuwanderungssaldi damals verschwindend klein waren, erreichen sie heute immerhin noch 60 000 Personen pro Jahr. Dieser Wert liegt freilich wesentlich tiefer als noch vor wenigen Jahren, als jährlich 80 000 Personen neu in der Schweiz sesshaft wurden. Die Credit Suisse warnt deshalb allzu optimistische Investoren: «Seit Längerem bleibt die Nachfrage auf dem Mietermarkt sowohl bei Wohnungen als auch bei kommerziellen Flächen hinter dem Angebot zurück».
Der Investitionsdruck anlagesuchenden Kapitals verzerrt in den letzten Jahren übrigens nicht nur den Markt, sondern auch die Raumentwicklung in der Schweiz: Der Mietwohnungsbau hat sich in ländliche Regionen verschoben, wo sich Projekte am leichtesten verwirklichen lassen, weil der Boden preiswert verfügbar und die Bewilligungshürden niedrig sind: Die höchsten Leerstandsquoten (über 2%) verzeichnet das westliche Mittelland mit den Kantonen Aargau, Bern, Solothurn sowie der  Jura, dicht gefolgt vom Wallis. die Ostschweizer Kantone Appenzell, Schaffhausen, St. Gallen und Thurgau. Dort erreichen die Leerstandsquoten für Mietwohnungen heute schon alarmierende Werte: Für die Entwickler besteht kein nennenswertes Risiko, denn institutionelle Anleger kaufen fast alles. Werden sie auf ihren leeren Wohnungen sitzen bleiben?

— Daniel Kurz
© CS-Immobilienmonitor 4–2017
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