Leserbrief zum Beitrag «Heilendes Bauen» von Guillaume Habert

Wir geben es zu: Die Redaktion erreicht nicht viel Echo, wenn wir ein Heft veröffentlicht haben. In noch weniger Fällen schreibt uns jemand einen Leserbrief. Nicht so zum letzten Heft über das klimapositive Bauen, das offenbar die Gemüter berührt hat. Deshalb veröffentlichen wir an dieser Stelle, die Entgegnung von Michael Meuter auf Guillaume Haberts Artikel in unserem Heft 5–2022 «Klimapositiv».

Der Grundthese des Autors, es gelte unter dem Horizont des Klimawandels biobasierte Materialien für das Bauen zu stärken, ist zweifellos zuzustimmen. Der Beton muss an seiner Zukunftsfähigkeit arbeiten, auch das ist richtig. Und es stimmt: Rasch wachsende Biomasse für bauliche Zwecke ist in hohem Masse entwicklungsfähig. Der Beitrag zeichnet jedoch ein unscharfes und am Ende auch schiefes Bild des Systems Wald und Holz, der mit Abstand wichtigsten Komponente biobasierten Klimaschutzes.

Wälder werden in nachhaltiger Bewirtschaftung nicht abgeholzt, sondern es wird nicht mehr Holz entnommen, als wieder nachwächst. In der Schweiz nimmt die Waldfläche übrigens nicht nur nicht ab, sondern sogar zu; es wird im langjährigen Mittel kaum die Hälfte des jährlichen Zuwachses im Wald geerntet – was per Saldo einer Vergrösserung der Kohlenstoff-Senke gleichkommt.

Das Zusammenspiel von laufend fortgesetzter Kohlenstoffbindung im nachhaltig bewirtschafteten Wald und kontinuierlicher Abschöpfung des Zuwachses zur Errichtung eines möglichst dauerhaften CO2-Speichers in Form langlebiger Holzprodukte für Bau und Ausbau, vor allem aber der Ersatz energie- und treibhausgasintensiv bereitgestellter konventioneller Materialien durch derart gewonnenes Holz bildet in der Schweiz einen starken Hebel für die klimagerechte Ausgestaltung des Gebäudeparks.

Es ist richtig und wichtig, dass konventionelle Baumaterialien mit einem grossen CO2-Fussabdruck ihre Hausaufgaben machen, um in Zukunft noch bestehen zu können. Aber wir können es uns angesichts der drängenden Zeit – netto null bis 2050 ist ein sehr ambitioniertes Ziel – nicht leisten, bei jeder Gelegenheit bloss diesen Bemühungen zu applaudieren und zu hoffen, dass sie bald in der Breite wirksam werden, ohne entschlossen anderweitig aktiv zu werden.

Wir müssen im Bauwesen aber auch nicht erst auf Neuentwicklungen warten, um in der richtigen Richtung – nämlich eben biobasiert – handlungsfähig zu werden, so wertvoll die Erweiterung der Handlungsoptionen zum Beispiel durch den Einsatz rasch wachsender Biomasse wie Stroh auch ist.

Denn über das wichtigste Mittel verfügen wir bereits, um hier und jetzt zu handeln: Klimaschutz durch vermehrten Einsatz von Holz ist kostengünstig und mit erprobten, zeitgemässen Technologien ohne Verzug umsetzbar. Der Rohstoff dazu ist in der Schweiz im Überfluss vorhanden und wächst laufend nach. Wir dürfen nicht nur, sondern wir müssen es sogar wagen, Holz zu ernten, um unsere Häuser zu bauen. Greta wird es sicherlich verstehen.

— Michael Meuter, Informationsverantwortlicher Lignum, Holzwirtschaft Schweiz
© Elektrosmog
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