Das sichtbar geschichtete Bauwerk vor dem Ziegeleimuseum in Hagendorn bei Cham ist sein jüngstes und grösstes Exponat. Als Aussichtsturm und Brennofen steht es als Experiment und Forschungsobjekt in der Landschaft, wie wir es im Heft Materialkreislauf (5–2021) fordern. Von Weitem meint man, ein Grabmal aus dem alten Ägypten vor sich zu haben, der längliche, erdfarbene Turm mit schwarzem, faltbarem Tor gleicht einer Kultstätte. Gegen oben verjüngt sich der schmale Bau und deutet auf seine Bauweise hin: Mit Lehm werden Ressourcen und Gewicht bewusst in der Vertikalen gegen oben gespart.
Nichts führt am gebauten Experiment vorbei, wollen wir die Möglichkeiten des CO2-armen Bauens im Klimawandel testen und umsetzen. Und ja richtig, die Stampflehmtechnik kennen wir bereits als alternative und umweltschonende Baumethode. Das Büro Boltshauser wendet die historische Bauweise seit bald 20 Jahren an; doch in Cham wurde eine lichte Höhe von fast 7 Metern, also zwei Geschossen, aus Stampflehmwänden errichtet. Das wird möglich durch die Hybridbauweise, denn eigentlich handelt es sich beim Ofenturm um die Weiterführung eines grossen Vorspannungsversuchs – ursprünglich ein studentisches Projekt der ETH Zürich für das Sitterwerk in St. Gallen. Die Demontage und der Wiederaufbau sind im Entwurf vorgesehen und entsprechen dem Kreislaufgedanken. Die vorgefertigten Elemente bestehen auch nicht aus Lehm vor Ort, sondern aus Ton, dem Abbruchmaterial eines Hauses beigemischt wurde. Eine weitere Besonderheit: Vorgespannte Stahlkabel, im Innern sichtbar, sorgen für optimierte und verbesserte Lastabtragung und die Erbebenfestigkeit. Ausgebildet als Vollholzträger fungiert das begehbare Dach als steife Scheibe und trägt ebenfalls zur Aussteifung bei.
Beim Lehmbau sind Fragen des Erosionsschutz immer miteinzubeziehen, in Cham werden Lärchenholzleisten, die die vorgefertigten Blöcke horizontal separieren und zwischen ihnen hervorstehen, zu Wetternasen, und Kalkkeile an den Ecken des Gebäudes schützen diese exponierten Stellen. Sie kommen dem architektonischen Ausdruck zugute, zusammen mit dem Tor und der Wendeltreppe im Innern aus Schwarzstahl. Als gemeinsamer Entwurf von Studierenden der TU München und der ETH, dazu im Selbstbau errichtet, passt das Gebäude in den Kanon der jüngsten Gebäude gegen den Klimawandel, in das engagierte Studierende – hier im Rahmen einer Summerschool – Zeit und Arbeitskraft investiert haben, um Teil eines innovativen Neuanfangs zu sein.
Heftempfehlung
«Lehm – Der Sprung zum urbanen Massstab»
wbw 6 – 2018
u.a. mit einem Interview mit Roger Boltshauser, Guillaume Habert und Martin Rauch.